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Pfusch am Bau: Kölner U-Bahn: Hat der Betrug System?

Verscherbelte Stahlträger, gefälschte Vermessungsprotokolle: Der Skandal um die U-Bahn erschüttert Köln - und beeinflusst möglicherweise auch den Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen.

Die U-Bahn wird zum großen Problem in Köln. In immer kürzeren Abständen werden Hinweise auf Mängel beim Bau der U-Bahn bekannt. Das erhöht die Sorge um die Sicherheit der Baugruben und Gebäude in der Innenstadt. In der Nähe des Waidmarkts war Anfang März 2009 das Stadtarchiv eingestürzt. Zwei Menschen kamen ums Leben, wertvolle Archivalien wurden verschüttet. Es wird vermutet, dass das Unglück mit den Fehlern beim U-Bahn-Bau zusammenhängt. Doch mittlerweile geht es längst nicht mehr nur um Pfusch am Bau, sondern möglicherweise um systematischen Betrug.

Welche Vorwürfe gibt es?

Die Staatsanwaltschaft Köln geht dem begründeten Verdacht nach, dass beim U-Bahn-Bau Menschen mit erheblicher krimineller Energie am Werk sind. Immerhin kann Guido Kahlen, Jurist, Stadtdirektor und seit einem Jahr mit den Vorgängen des Milliardenprojekts Nord-Süd-Bahn beschäftigt, am Tag nach dem Rosenmontagszug Entwarnung geben; die Prognosen, dass die Standfestigkeit trotz der schweren Karnevalswagen überall gewährleistet sein würde, sind eingetroffen. In den Tagen bis kurz vor Rosenmontag hatte man in der Stadtverwaltung sogar darüber nachgedacht, den Zug abzusagen oder ihn umzuleiten, weil man eben nicht sicher sein konnte, ob die Baugruben dem Druck standhalten. Denn der Staatsanwaltschaft waren reihenweise Dokumente geliefert worden, die darauf hindeuten, dass in Köln nicht so gearbeitet worden ist wie üblich. „Wir ermitteln“, erklärt Günther Feld von der Kölner Staatsanwaltschaft. Mal fehlen wichtige Metallverankerungen in den Schlitzwänden, die verscherbelt statt verbaut worden sein sollen, dann wieder hat man zu wenig Beton in die Sicherungsbauwerke gegossen; die entsprechenden Protokolle, 28 sollen es bisher sein, wurden gefälscht – wie eine mit den Vorgängen vertraute Person bestätigt. Bilfinger Berger, nach Bauleistung die Nummer zwei unter Deutschlands Baukonzernen und federführend am U-Bahn-Bau beteiligt, äußert sich nicht zu Details. Ein Sprecher findet es jedoch ebenfalls „ungewöhnlich, dass es zu unterschiedlichen Schlitzwandlamellen identische Protokolle gibt“.

Droht im Moment neue Einsturzgefahr?

Sorgen bereiten derzeit vor allem die Hochwasserprognosen. Denn es ist nicht sicher, ob die Wände durch die Baumängel dem Druck des Wassers standhalten können. Steigt der Rheinpegel um bis zu vier Meter, sei alles kein Problem, versichern Statiker. Nur erwarten die meisten Experten Hochwasserstände von deutlich über vier Metern schon in wenigen Wochen. „Wir sichern die Baugruben deshalb zusätzlich“, erklärt Kahlen. In der 40 Meter tiefen Grube am Heumarkt in der Kölner Innenstadt werden jetzt zusätzliche Streben zwischen die Schlitzwände geschoben, außerdem bereitet man sich darauf vor, das gesamte Bauwerk zu fluten, um den Druck auszugleichen und einen Einsturz der Wände zu verhindern. Die restliche Tunnelröhre, die unterirdisch schon fertig ist, soll bis dahin abgedichtet werden.

Gibt es Konsequenzen für die Bauunternehmen?

Die Staatsanwaltschaft lässt durchblicken, dass im Moment mehr als zehn Personen mit juristischen Konsequenzen rechnen müssen. Gleich mehrere Mitarbeiter der Baufirma Bilfinger Berger sind im Visier der Staatsanwälte. Das börsennotierte Unternehmen hat reagiert und zwei leitende Mitarbeiter sowie einen Polier von ihren Aufgaben entbunden. Um den obersten Bauleiter handele es sich aber nicht. Der neue Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) wird damit nicht zufrieden sein. Er hat an das Bauunternehmen geschrieben. „Täglich wächst die Angst, weil immer neue Baumängel bekannt werden“, heißt es in dem Schreiben, das laut Bilfinger Berger noch nicht eingegangen ist. Vorstandschef Herbert Bodner hatte Roters auf einen ersten Warnbrief lapidar geantwortet und zu erklären versucht, dass die falschen Protokolle, „vielleicht aus Software-Unverständnis“ entstanden seien. Dieser Satz bringt Roters in Rage. „Bei einem sicherheitsrelevanten Bauvorhaben wie der Nord-Süd-Stadtbahn Köln erwarte ich einen anderen Umgang mit Messergebnissen“, sagt Roters. Intern hat er die Parole ausgegeben, Bilfinger Berger endlich härter anzufassen. Im Aufsichtsrat der Kölner Verkehrsbetriebe wurde deshalb jetzt über die Möglichkeit diskutiert, sich komplett von dem Unternehmen zu trennen. „Wenn so etwas passiert, kann man das nicht mehr hinnehmen, der Ruf der Stadt leidet über die Grenzen hinaus“, klagt einer aus der Dezernentenriege. Das könnte für die Unternehmen Bilfinger Berger, Wayss+Freitag sowie die Strabag-Tochter Züblin, die in der Arbeitsgemeinschaft Los Süd für den kritischen Abschnitt zuständig sind, teuer werden und einen Imageschaden verursachen. Der U-Bahnabschnitt kostet nach Firmenangaben rund 400 Millionen Euro. Alle drei Unternehmen haben 135 Mitarbeiter entsandt.

Welche politischen Folgen hat der U-Bahn-Skandal?

Roters ist auch deshalb im vergangenen Herbst ins Amt gewählt worden, weil Fritz Schramma (CDU) mit der Bewältigung der Krise überfordert schien. Roters will nicht die gleichen Fehler wie sein Vorgänger machen, also schiebt er die Verantwortung zu Bilfinger Berger. Über die Rolle des Staates wird trotzdem debattiert. „Das ist alles eine Folge des Privat-vor-Staat-Wahns“, schimpft Horst Becker, der grüne Bauexperte aus dem Landtag. Der Düsseldorfer Regierungspräsident hatte die Bauaufsicht bis zum Einsturz des Archivhauses an die Stadt Köln gegeben, die hatte sie an die Verkehrsbetriebe weitergereicht, was dazu führte, dass sich der Bauherr quasi selbst kontrollierte. „Wir müssen das überdenken“, verlangt Becker und bekommt Schützenhilfe von einem Kölner, der es wissen müsste. Bela Dören war bis vor einigen Jahren Tiefbau-Dezernent. Sein Amt hatte mehr als 100 Mitarbeiter, dann wurde sein Job gestrichen. „Hätte die Stadt das Amt nicht aufgelöst, wären wir täglich mit mehreren Leuten vor Ort gewesen“, erklärt Dören.

Im Moment sind die betrügerischen Details um die U-Bahn vorrangig eine Geschichte für das politische Köln. Wie es sich auf den Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen auswirken wird, bleibt aber abzuwarten. (mit HB)

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