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Panorama: Phänomen war in Berlin nur durch Wolkenlöcher zu sehen - Hobby-Astronomen enttäuscht

Der zehnjährige Marcel hat ganz kleine Augen. "Tja, mein Junge, du bist zu spät", begrüßt ihn Wolfgang Meier von der Berliner Wilhelm-Foerster-Sternwarte bedauernd.

Der zehnjährige Marcel hat ganz kleine Augen. "Tja, mein Junge, du bist zu spät", begrüßt ihn Wolfgang Meier von der Berliner Wilhelm-Foerster-Sternwarte bedauernd. Sein Kollege fügt ein etwas hämisches "Wohl zu lange geschlafen" hinzu. Enttäuschung mischt sich in Marcels müden Blick. Es ist erst viertel vor Sechs. Jetzt sollte der Höhepunkt der diesjährigen Mondfinsternis sein. Doch zu sehen ist nichts. Nur graue Wolken, aus denen Schnee rieselt.

Das Kuppeldach über dem raumfüllenden Fernrohr in der Sternwarte in Steglitz ist geschlossen. Seit vier Minuten nach fünf wandert der Mond durch den Kernschatten der Erde, Totalitätsphase der Mondfinsternis. Er macht das zum Bedauern aller (Hobby)-Astronomen in Berlin hinter dicken Wolken. Mit Hilfe einer äußerst lichtempfindlichen Kamera des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt hat René Laufer von der Sternwarte immerhin zwischen drei und fünf Uhr ein Dutzend Mondbilder gemacht (www.dlr.de/mofi2000). "Es sind deutlich weniger Leute als sonst hier", sagt er. Bei einer Finsternis schon mal bis zu 1000 Schaulustige, und in der kleinen Sternwarte herrscht Volksfeststimmung. Doch das schlechte Wetter war angekündigt. Jetzt tapern nur vereinzelte Gestalten durchs Dunkel auf dem Dach.

"Das ist schon komisch. Wenn der Mond weg sein sollte, dann sieht man ihn richtig". Stephanie Deubel hat in den ersten Minuten der Totalitätsphase durch Wolkenlöcher einen Blick auf den Erdtrabanten erhascht. Seit vier Uhr ist sie mit zwei Mitschülern aus ihrem Astronomiekursus in der Sternwarte. Rot war der Mond da, weil ihn im Kernschatten der Erde diffuses atmosphärisches Licht beleuchtet. "Erst hat ihm eine Ecke gefehlt. Dann wurde er rötlich wie in der Dämmerung", beschreibt die Zwölftklässlerin. Sie hat ihre Finsternis gehabt. Dass die Wolkendecke nicht mehr aufreißen wird, stört Stephanie nicht. Schon eher, dass sich auch ihr Lehrer noch nicht hat blicken lassen.

Draußen geht der Schnee in Hagel über. Unten in der Halle halten sich zwei unausgeschlafene Männer an ihren dampfenden Kaffeetassen fest. Wer jetzt noch in der Sternwarte ausharrt, gehört irgendwie zum Fernsehen. Die ARD hat von hier aus um 5.30 Uhr eine Live-Schaltung in ihr "Morgenmagazin" gemacht. Um 6.22 ist die Totalitätsphase zu Ende. Anke Kertscher steht auf dem Dach, berieselt von weißen Flocken, und friert. Kurz nach halb sieben erzählt sie den Zuschauern nochmals, was man hätte sehen sollen, wenn es was zu sehen gegeben hätte. Oder so ähnlich. Dann wird eine vorbereitete Animation eingespielt. Wenn schon die Wolken nicht mitspielen.

Adolf Voigt weiß, wie eine Mondfinsternis aussieht. Er kennt den Mond in- und auswendig - so weit man ihn von der Erde aus kennen kann. Der gelernte Fotograf hat mit einem Freund den Berliner Mondatlas zusammengestellt. Dafür hat er den Planeten von 1964 bis 1967 in allen Phasen fotografiert. Er ist von den Kratern, Gebirgen und Maren der Oberfläche fasziniert. Nachdem Voigt in Rente gegangen ist, hat er den Mond nochmal auf Video gebannt. Jetzt kann man die 22 Phasen auch auf Kassette sehen. "Na, dies Mal war es ein bisschen dürftig", sagt auch Herr Voigt, der vor fünf Uhr einige Wolkenlöcher nutzen konnte. Aber immerhin war es eine helle Mondfinsternis, mit relativ viel atmosphärischem Licht. Das variiert. "Wir hatten schon Finsternisse, da war der Mond so dunkel, dass man ihn gar nicht sehen konnte".

Tina Heidborn

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