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Prinz Harry: Der Tribun des Volkes

Harry, nicht William, ist in Großbritannien in aller Munde – er schlägt die Brücke zwischen den Briten und ihrer Monarchie.

Nur noch knapp vier Wochen bis zur Hochzeit, aber kaum jemand spricht über den Bräutigam. Während Prinz William als Rettungspilot Dienst im fernen Anglesey schiebt, ist es sein jünger Bruder Harry, der die Schlagzeilen macht. Kaum ein Nachrichtenbulletin in den letzten Tagen, das nicht Harry in der Arktis brachte: Im feuerroten, aufgeplusterten Tauchanzug sprang er bei Minus 25 Grad ins eiskalte Wasser und machte Männerwitze darüber. Als Schirmherr der Gruppe „Walking with the wounded“ nahm er an einem Überlebens-Training einer Gruppe amputierter Afghanistan-Veteranen teil, die zum Nordpol marschieren werden. Harrys Aufgabe ist es, kumpelhaften Frohsinn zu verbreiten und doch ganz ernst auf das Schicksal der Soldaten hinzuweisen: „Diese Expedition soll zeigen, dass sie eine Zukunft haben“.

Mühelos verband Harry seine Aufgabe als königlicher Schirmherr, Sprachrohr der Soldaten mit seinem neuen Status als Vorzeigefigur der Monarchie. William heiratet. Harry ist nun der begehrenswerteste Junggeselle Großbritanniens und, wenn man den Klatschkolumnisten glauben darf, der ganzen Welt. Die „Daily Mail“ ging unter dem Titel „Wer wird Harry heiraten?“ die Liste der Kandidatinnen durch, sollte Harrys alte Freundin Chelsy Davy es nicht schaffen. Die „Sunday Times“ berichtet über Jungamerikanerinnen, die sich in Londoner Nachtklubs drängen, in der Hoffnung, Harry möge vorbeischauen. Diesen Monat ist er Cover Star des Herrenmagazins „GQ“, und sogar der nicht besonders königstreue „Mirror“ zollte Harry in einem Leitartikel seinen Respekt: „Harry verbindet einen riesigen Appetit für frivolen Spaß mit dem echten Wunsch, das Seine für gute Zwecke zu tun. Er kämpfte selber an der Front und weiß, was für Opfer gebracht werden.“

Das war nicht immer so. Harry war lange das Sorgenkind. Er bekam schlechte Schulnoten im Internat Eton, wo er statt Sprachen und Mathematik mit 14 das Trinken und Rauchen lernte – nicht nur von Zigaretten. Keinen Streich, bei dem er nicht vorne dabei war. Er liebte Partys, Klubs und Mädchen, wurde mit Cannabis erwischt, prügelte sich mit Fotografen und als er in Naziuniform zu einer Verkleidungsparty erschien, ging ein Aufschrei des Entsetzens durch die Welt. Offenbar hatte der dritte Anwärter in der Thronfolge keine rechte Kenntnis der Geschichte seines Landes. Die einen riefen „Ab in die Armee“, denn das Soldatenleben war für nichtsnutzige Royals schon öfter die Rettung, andere glaubten, dass Harry mit dieser Vergangenheit nie in die Armee dürfe.

Wie sehr hat sich das Image des 27-jährigen heute geändert. Das Bild des Außenseiters und Sorgenkinds hat er abgelegt. Die Spekulationen, ob seine roten Haare überhaupt mit den Genen eines richtigen Windsors vereinbart sind, die einmal zu einem Vaterschaftsdementi von Prinzessin Dianas ehemaligem Liebhaber James Hewitt führten, sind vergessen. Harry arbeitete mit Waisen in Lesotho, auf einer Rinderfarm in Australien, absolvierte die Offiziersakademie Sandhurst, wurde Panzerkommandeur, war im Kriegseinsatz in Afghanistan, weil er nicht wollte, dass man für ihn eine Ausnahme machte. Erst als eine Zeitung darüber berichtete, musste er abgezogen werden, weil er zur Terrorzielscheibe geworden war. Zur Zeit wird er zum Hubschrauberpiloten ausgebildet und er insistiert, dass er wieder nach Afghanistan will. „Sonst würde sich die ganze teure Ausbildung gar nicht lohnen“.

Der Tod ihrer Mutter, Prinzessin Dianas, hat die Brüder William und Harry eng aneinander geschmiedet. Sie sind die besten Freunde, nicht erst, seit sie als Buben, Harry war damals 12 Jahre alt, unter den Augen der Welt hinter dem Sarg der Mutter durch London marschieren mussten. „Er ist der einzige, mit dem ich wirklich alles besprechen kann“, sagte Harry über seinen Bruder. Harry organisierte Williams Junggesellenabschied und freut sich nun „die Uniform anzuziehen und ihn zum Altar zu führen“, sagte er den BBC-Reportern in der Arktis. „Wenn es nach Willie gegangen wäre, wäre es eine ganz kleinen Hochzeit geworden, nur mit Freunden. Aber das geht wohl nicht, da wir nun eben sind, wer wir sind.“ Er spricht ohne Gestelztheit, ohne den anerzogenen Oberklassenakzent, so wie ein junger Brite von heute. Die Rede, die er als Trauzeuge auf seinen Bruders halten wird, muss nach englischem Brauch witzige Eigenarten seines Bruders beschreiben. „Wir werden dafür sorgen, dass ihm ein paar Haare ausfallen“ zwinkerte er in die Kamera. Ob er manchmal daran denke, dass William einmal abdanken könnte und er König wird, wurde er gefragt. „Ja, das ist meine größte Sorge“, lacht er – immer schlagfertig.

Aus Harry ist plötzlich der „normalste“ der Royals geworden. Er hat den schroffen Charme eines Soldaten und Sportlers, aber daraus blitzt immer wieder Menschlichkeit und Mitgefühl auf. Wie Kate Middleton kann er eine Brücke schlagen zwischen dem Mythos der Monarchie und dem alltäglichen Leben. So ist er in gewisser Weise ein Nachfolger seiner Mutter Diana, der „Prinzessin der Herzen“.

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