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Indien - man ist nie unbeobachtet.

© Christina Franzisket

Indien-Blog (2): Armut und Reichtum in New Delhi

1500 Kilometer will Christina Franzisket gemeinsam mit einer Freundin durch Indien reisen, um den Mythos des Ganges zu ergründen. In ihrem Blog berichtet sie von ihren Abenteuern. Diesmal: So fühlt sich New Delhi an.

Das Herz von New Delhi ist der rund angelegte Connaught Place. In seinen Rundungen befinden sich große Geschäfte, etwa ein Reebok Store oder ein Adidas-Laden, noble indische Restaurants und Fast Food Ketten wie MC Donalds und Pizza Hut. In der Mitte liegt ein vom Militär bewachter Park. Nicht jeder darf sich hier aufhalten; Obdachlose müssen draußen bleiben. Der Park soll sauber sein, hinlegen und schlafen darf man hier hier.

Es gibt zahlreiche bitter arme Menschen in Delhi. Die meisten von ihnen trieb die Hoffnung auf Arbeit vom Land in die Haupstadt. Wir sehen sie auf Gehwegen, Grünstreifen oder unter Plastikplanen am Straßenrand hocken und vor sich hinstarren. Manche haben sich zu einem kleinen Paket zusammengerollt und schlafen, die Glieder dünn wie Stöcke haben sie in Tücher gehüllt, die gelb grau sind vor Dreck und Schweiß. Die dunkelbraune Haut ist bedeckt von einer Kruste aus Staub und Schmutz. Ihre Blicke sind leer, ohne Antrieb, ohne Hoffnung. Kinder mit einem Fetzen bekleidet und nacktem Popo hängen neben ihren Eltern und stochern in den Fugen des Gehsteigs am Connaught Place.

Jeden Tag ziehen hier die Massen an ihnen vorüber die ihr Geld in den Geschäften ausgeben. Ich fühle mich elend, als wir am Abend vollgegessen aus einem Restaurant kommen. Zwischen Bordsteinkante und einem parkenden Auto hat sich eine Mutter im verschmutzten Sari, der wohl einmal lila und mit glänzenden Pailleten verziert gewesen ist, mit ihren drei kleinen Kindern für die Nacht eingerichtet. Die Vier sehen völlig ausgezehrt aus. Das große Mädchen kommt auf uns zu und führt seine leere Hand zum Mund. Sie schielt, hat verklebte Augen und kurz geschorenes Haar.

Solche Begegnungen werden wir nun öfter haben auf unserer Reise durch Indien. Und jedes Mal werde ich mich gleich fühlen: Schrecklich fett und überfüllt, mit viel zu viel Komfort, Luxus und Materiellem.

Am nächsten Tag besichtigen wir die größte Moschee Indiens, die Jama Masjid. Um hinein zu gelangen, müssen wir als Frauen eine Art Mantel Anziehen, der uns von den Füßen über die Arme bis hoch zum Hals bedeckt. So will es die Religion. Außerdem ziehen alle ihre Schuhe aus.

Im Inneren des monumentalen Baus befindet sich ein Platz auf dem bis zu 25.000 Gläubige beten können. Ein wunderschöner Kuppelbau umrahmt von vier Türmen ist der Hauptbau. Hier sehen wir einige Männer in traditionellen weißen Gewändern beten. Dabei knien sie sich in Richtung Mekka, falten ihre Hände und halten ihre Augen geschlossen. Leise hören wir sie murmeln, einer wippt dabei auf und ab. Andere Männer liegen eng aneinander gekuschelt im Schatten auf den kühlen Steinböden.

In Indien sind Zärtlichkeiten unter Männern kein Zeichen von Homosexualität, die ist in Indien verpönt. Die Beziehungen zwischen Brüdern, verwandten Männern oder Freunden sind hier die Innigsten. Das zeigen sie gerne in dem sie Hand in Hand gehen, sich umarmen oder sich aneinander lehnen. Zärtlichkeiten zwischen Mann und Frau werden hingegen nicht in der Öffentlichkeit ausgetauscht, sie finden zu Hause hinter verschlossener Tür statt.

Direkt von der Jama Masjid gehen wir auf den großen Basar in Old Delhi. Hier zwischen den engen Straßen und dem Verkehr bieten Händler ihre Ware feil - ob glitzernde Saris, Armreifen oder etwas zu Essen. Die Straße ist ein Farbenparadies. Die heruntergekommenen Häuser und der Kabelsalat, der von den Masten herabhängt, verschwindet hinter der Farbenpracht.

Viele braune Augenpaare schauen uns an, oft bleiben wir stehen und machen Fotos von unseren Betrachtern. Die digitale Fotografie ist hier ein echter Segen. Wir werden umringt von unseren Fotomotiven und den anderen Herumstehenden und können auf dem kleinen Bildschirm das Foto zeigen. Dann bricht immer heiteres Hindi-Geschwätz und Gekicher aus. „Bye, bye Madam“ verabschieden uns die vielen dunklen Gesichter mit den strahlend weißen Zähnen, wenn wir weiterziehen.

Christina Franzisket

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