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Wehwehchen werden auf Jangtse-Kreuzern auch mal unkonventionell behandelt.

© Markus Kirchgessner/laif

Auf hoher See: Wenn das Virus anheuert

Ferne Länder, bunte Märkte mit außergewöhnlichen Waren und kulinarischen Verlockungen. Nicht jeder verträgt dies gesundheitlich. Was kann der Schiffsarzt tun und wie können Passagiere selbst vorbeugen?

Fremdes, Exotisches sehen, riechen, schmecken und im wahrsten Wortsinn begreifen, das macht den Reiz einer Reise aus. Wobei das Begreifen, das tatsächliche Anfassen zum Problem werden kann. Zumal, wenn man auf einem Kreuzfahrtschiff mit Hunderten, oft genug Tausenden anderen Menschen unterwegs ist. Denn Krankheitserreger, die nur eine einzige Person mit an Bord bringt, können sich rasend schnell ausbreiten. Dann bekommen möglicherweise Viele ein Problem. Das medizinische Personal an Bord kann in solchen Fällen oft nur „Feuerwehr“ spielen. Wobei sich Experten auch die Frage stellen: Wie es allgemein um die Qualifikation von Schiffsärzten bestellt?

Es passiert immer wieder mal. Erst vor wenigen Wochen heuerte das Norovirus auf der „Crown Princess“ an: 364 Passagiere und 30 Besatzungsmitglieder erkrankten, die Kreuzfahrt wurde abgebrochen. Ein großes Ärgernis für Passagiere, ein Riesenschaden für die Reederei.

Fest steht: Auf Passagierschiffen sind Reisende ebenso großen oder ebenso geringen gesundheitlichen Gefährdungen ausgesetzt wie etwa in einem Urlaubsresort an Land. Wie so oft: Vorbeugen ist besser als krank werden. Und da kann jeder Passagier bei sich selbst anfangen, indem er größtmögliche Hygiene walten lässt. Dazu gibt es drei einfache Regeln: Hände waschen, Hände waschen, Hände waschen. Und jeder sollte sich unbedingt an die Aufforderung der Schiffsleitung halten, etwa nach einem Landgang beim Betreten des Schiffes oder vor dem Gang ins Bordrestaurant die bereits routinemäßig angebotene Handdesinfektion wahrnehmen. Eine Selbstverständlichkeit, die – so unsere Wahrnehmung – allzu oft noch ignoriert und bisher eher selten vonseiten der Besatzung sanktioniert wird.

„Schiffsarzt an Bord“, heißt es oft in den Prospekten, die für schicke Hochseekreuzfahrten werben. Gewiss, ein Arzt begleitet die Reisen aller größeren Passagierschiffe. Einmal abgesehen davon, dass sich der Mediziner, der für einen Törn seine Praxis, sein Krankenhaus gegen ein Schiff tauscht, vor jeder Fahrt zunächst mit den Gegebenheiten an Bord und in seinen neuen „Praxisräumen“ vertraut machen muss, haben „Doc“ und medizinisches Hilfspersonal wenige Möglichkeiten, bei regelrechten Katastrophen an Bord entscheidend etwas zu bewirken. Doch jede Reederei, die auf sich hält, heuert gestandene Mediziner an. Längst vorbei die Zeiten, als Ärzte wegen einer verlustig gegangenen Zulassung an Land oft als „Pflasterkleber“ auf Seelenverkäufern anheuerten. Eine fünf- bis zehnjährige klinische Tätigkeit in Chirurgie und Innerer Medizin wird heute vielfach für eine Tätigkeit als Schiffsarzt erwartet. Erfahrung als Notarzt ist in der Regel ein Muss, Kenntnisse in Reise- und Tropenmedizin sowie Basiswissen in Zahnmedizin sind ebenfalls erwünscht. Ja, es gibt sogar seit 2001 in Deutschland die Möglichkeit, das „Zertifikat Maritime Medizin“ zu erwerben. Verpflichtend ist das für Weißkittel auf Schiffen jedoch nicht.

Es gibt nur wenige empirisch gesicherte Daten über an Bord vorkommende Notfälle oder Krankheiten. Auch gesicherte Zahlen über Menschen, die an Bord von Kreuzfahrtschiffen sterben – und woran sie gestorben sind – liegen nicht vor. Meist können auf der Reise plötzlich schwer Erkrankte nur hoffen, dass ihr Schiff in Hafennähe oder wenigstens ein Hubschrauber in Reichweite ist.

„Der Wille, eine gute medizinische Versorgung anzubieten, ist bei den Reedereien vorhanden“, sagt Klaus-Herbert Seidenstücker, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Maritime Medizin e.V. „Doch beim Ausbildungsangebot ist noch viel zu tun.“ Als Vorreiter in Sachen Bordmedizin gelten die US-amerikanischen Kreuzfahrtanbieter. Wobei den Unternehmen oft unterstellt wird, da sei weniger die Sorge um das Wohl der Passagiere die treibende Kraft als vielmehr höchster Respekt vor oft nicht absehbaren (finanziellen) Folgen, wenn ein Passagier nicht optimal versorgt werden kann.

Zu den Merkmalen von Kreuzfahrtschiffen gehört heute, dass sie immer größer werden, das medizinische Personal hingegen nicht notwendigerweise im gleichen Verhältnis wächst. Für die ärztliche Versorgung an Bord gibt es nach Angaben von Clara Schlaich, Leiterin des Hamburg Port Health Center, folgende gesetzliche Regelung: Ein Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation schreibt vor, dass bei mehr als 100 Personen an Bord ein Schiffsarzt, bei mehr als 800 ein zweiter mit auf große Fahrt gehen muss. 

Für chronisch Kranke ist übrigens vor Antritt einer Kreuzfahrt die Rücksprache mit der Reederei ebenso unerlässlich wie ein offenes Wort im Falle einer Erkrankung an Bord. Ob Schiffsärzte, die eigentlich rund um die Uhr im Dienst sind, dann von Krankenschwestern oder Krankenpflegern unterstützt werden, ist in das Belieben der Reedereien gestellt. „Die Situation auf großen Passagierschiffen ist vom Gesetzgeber bisher nicht berücksichtigt worden“, sagt Clara Schlaich. Nautiker und Servicepersonal müssen übrigens regelmäßig zur Gesundheitsuntersuchung. Und wie ist es mit den Schiffen? Kreuzfahrtschiffe werden zwar nach Angaben von Clara Schlaich alle sechs Monate unter medizinisch-hygienischen Aspekten unter die Lupe genommen. Doch Routineinspektionen des Wassers in Ballasttanks auf mögliche Krankheitserreger gibt es im internationalen Schiffsverkehr noch nicht.

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