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Badeeinlage in Haiti. Die "Allure of the Seas" ankert vor der Insel Hispaniola an einem speziell abgezäunten Strandabschnitt.

© picture alliance

Barbie-Kreuzfahrt: Alle wollen Glitter

Karibik in Rosa: Barbie-Kreuzfahrt auf der „Allure of the Seas“.

Von Barbara Munker, dpa

Tally ist ganz Profi. Gekonnt schaut sie den Fotografen von unten an, stützt eine Hand in die Hüfte und winkt dem Publikum vom Laufsteg aus eher flüchtig zu. Allerdings: Tally ist erst vier Jahre alt und die Modenschau findet auf hoher See statt. Model und Popstar spielen, Torten und Kleider entwerfen sind Teil des neuen Angebots einer großen amerikanischen Reederei, das auch Europa erobern soll: Die „Barbie-Kreuzfahrt“ will vor allem Mädchen – und deren Eltern – ansprechen.

Immerhin: Nicht das komplette Schiff wird in Rosa getaucht. Bei der „Allure of the Seas“, mit 360 Metern das größte Kreuzfahrtschiff der Welt, wäre das auch etwas viel verlangt, und deshalb tragen nur einige der mehr als 2700 Kabinen das Schild „Spezieller Gast von Barbie“. Darin finden die Reisenden ein paar Überraschungen in Pink, etwa eine Decke und einen Kopfkissenbezug, eine bunte Tasche – und natürlich eine Barbie.

Eine Woche dauert die Kreuzfahrt, und von Florida aus fahren die gewaltigen Schiffe verschiedene Häfen in der Karibik an, zum Beispiel Jamaika, die Bahamas oder Haiti. Von Land und Leuten merkt man wenig, die Anlaufpunkte sind, freundlich ausgedrückt, touristisch voll erschlossen.

Auf dem Schiff ist zwar oft nicht zu spüren, dass man eben mit nahezu 6000 anderen Passagieren die mehreren hundert Meter Stahl teilt. Geschickt wird versucht, jedes Gefühl von Enge oder Gedränge gar nicht erst aufkommen zu lassen. Aber bei den Landgängen ist touristisches Fließband unvermeidbar. In Haiti zum Beispiel darf man das umzäunte Gelände nicht verlassen und trifft so lediglich auf zugelassene Souvenirhändler, während ein paar Einheimische nur scheu über den Zaun winken können.

Auch für Barbie-Kreuzfahrten gilt: Der Weg ist das Ziel. Die „Allure“ bietet eine Fülle der inzwischen auf großen Schiffen üblichen Freizeitvarianten, vom Klettern an der Plastikfelswand über Wellenreiten 16 Decks über dem Ozean bis hin zur Zip Line. Das ist ein über das Schiff gespanntes Drahtseil, an dem Wagemutige im Spezialgestell hoch über allen anderen über das Deck sausen können. Wem das zu anstrengend ist, mag beim Eislaufen oder in einem der Theater Entspannung finden.

Oder er geht zur Barbie-Teeparty. Voller Erwartung sitzen die kleinen Mädchen mit ihren Müttern am Tisch, Gläser und Teller sind noch leer. „Wir wollen erst über Etikette sprechen. Weiß jemand, was das ist?“, fragt Unterhalterin Susan. Etikette sei zum Beispiel, dem anderen zuerst den Tee einzugießen. „Na klar“, scheinen die Gesichter einiger Mädchen zu sagen, andere eher „Warum das denn?“. Letztlich fügen auch die sich und lernen etwas über Höflichkeit. Die Kuchen, die es dann gibt, sind sehr amerikanisch: sehr groß, sehr süß, sehr pink.

„Das trifft nun mal den Geschmack der meisten Mädchen, und wir wollen, dass auch die sich an Bord wohlfühlen“, sagt Cody Phillips. Der Amerikaner ist für das Kinderprogramm verantwortlich. „Ich habe den besten Job der ganzen Reederei“, sagt er strahlend. „Okay, vielleicht auch den anstrengendsten.“ Schließlich müsse man nicht nur die Kinder bespaßen, sondern auch den Müttern bei nur sieben Tagen auf See sofort das Gefühl geben: Gebt uns eure Kinder, hier sind sie gut aufgehoben – und amüsiert euch selbst! „Natürlich wollen wir, dass die Kinder Spaß haben. Nur dann geht es auch den Eltern gut, und nur dann kommen sie wieder zu uns an Bord“, sagt Phillips. Er zuckt mit den Schultern: „Es ist viel Spaß, aber eben auch viel Psychologie.“

Barbie ist eine Legende

Alptraum oder nicht - bei dieser Bettwäsche muss jeder selbst entscheiden.
Alptraum oder nicht - bei dieser Bettwäsche muss jeder selbst entscheiden.

© promo

Und nicht nur Psychologen wissen: Kinder, die den ganzen Tag auf Achse sind, schlafen abends besser – und lassen den Eltern mehr Freiraum. Entsprechend scheucht Sophie die Mädchen beim Tanzkurs: „Lasst uns mal ein paar Schritte üben“, sagt sie sanft, aber zuletzt keuchen alle. Was Sophie den Kindern beibringt, sieht schon nach einer Stunde erstaunlich synchron aus.

„Das ist super, weil ich auch Tänzerin werde, wenn ich groß bin“, sagt eine Fünfjährige. Sie weiß schon genau, wie ihre Karriere mal aussehen soll. Auch eine andere arbeitet schon an der Zukunft: „Ich muss mich jetzt anstrengen, dann bin ich später total gut und dann kann ich eine ganz tolle Tänzerin sein.“ Kunstpause. „Oder Popsängerin!“

Etwas ruhiger geht es beim Entwerfen von Kleidern zu. „Wie soll euer Kleid aussehen?“, fragt eine junge Frau die Mädchen, die, ihre Barbie fest umklammert, erwartungsvoll an Tischen sitzen. Darauf allerlei Zeug, mit dem man ein buntes Kleid noch bunter machen kann. „Wollt ihr Streifen? Oder Punkte? Oder Karo? Oder ...“ Gespanntes Warten. „… wollt ihr Glitter?“ Alle wollen Glitter. Trotzdem sehen nicht alle Kleider gleich aus. Etwas zu bunt vielleicht, aber die Kinder sind glücklich.

Barbie ist eine Legende. Jeder hat seine eigene Meinung zu der Plastikpuppe – nicht immer eine gute. Doch das Argument, dass Barbie den Mädchen eine falsche Wirklichkeit vermittele, lässt Matthew Sherman vom Spielzeughersteller Mattel nicht gelten: „Barbie war schon in 120 Berufen. Sie war Ärztin, Astronautin, Pilotin, Seaworld-Tiertrainerin und sogar Präsidentin. Das ist doch das perfekte Vorbild.“ Die Botschaft laute: „Du kannst alles werden, du kannst alles sein.“ Auch Popsängerin.

Das „Barbie Sing along“ könnte da ein gutes Training sein. Alles glitzert und blinkt in der Disco der „Allure“, 16 Decks über dem Kiel. Das Karaokevideo hat zwar den Nachteil, dass die Vier- und Fünfjährigen den Text der Lieder nicht mitlesen können. Macht aber nichts, schließlich ist es nicht so kompliziert, und es geht um Spaß. Und genau so ist auch die Stimmung, wenn die Vorschulkinder eifrig durcheinanderkrähen: Spaß, nicht Noten.

Der Spaß ist gut organisiert, schließlich ist die „Allure“ ein amerikanisches Schiff: sehr familienfreundlich, aber auch mit jeder Menge Regeln und Verboten. Kinder unter drei dürfen zum Beispiel ausschließlich in einen speziellen Pool – mit weniger als zwei Zentimetern (!) Wassertiefe. Selbst bei den Kleinsten wird da nicht einmal der ganze Fuß naß.

Bei aller Organisation an Bord – gegen ein Problem, kommt keiner an. Wenn 6000 Passagiere einen Ausflug machen, komme es schon mal vor, dass vor dem Ablegen nicht alle den Weg zurück an Bord finden, räumt Johnny Faevelen ein. Der Norweger ist Kapitän der „Allure of the Seas“ und hat einen engen Terminplan. „Wir haben klare Zeitfenster, in denen wir den Hafen verlassen müssen. Wenn nicht alle da sind, müssen wir notfalls mit nur 5998 Passagieren los.“ Wenn einer fehlt, kümmern sich Reedereiangestellte in den Häfen darum, dass die Zurückgebliebenen ein Hotel und einen Flug zum nächsten Hafen oder nach Hause bekommen – was sie dann natürlich selbst bezahlen müssen.

Die Rückkehr nach Florida ist unkompliziert, die Grenzformalitäten sind auch für Europäer unproblematisch. Viel schwieriger ist es, am Tag danach sein Essen wieder selbst kochen zu müssen.

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