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Erpressung: Rabatt – oder miese Noten

Wie Gäste Hoteliers mit angedrohten Bewertungen im Internet erpressen. Hoteliers sind empört und fürchten weitere Fälle.

Das Doppelzimmer sollte 149 Euro kosten. „Wir zahlen maximal 100 – sonst gibt es eine miese Kritik im Internet“, drohten zwei Touristen ganz unverblümt an der Rezeption des A & O-Hotels in München. Oliver Winter, Chef der Hotelkette aus Berlin, ist über dieses Vorgehen empört. Er fürchtet weitere Fälle. „Auch andere Hoteliers haben mir von Erpressungsversuchen berichtet“, sagt Winter. „Für uns ist das eine Riesengefahr.“ Die zunehmende Macht der Hotelbewertungsportale sieht er deshalb mit Skepsis.

Pünktchen, Sonnen oder Kommentare – die Noten auf Portalen wie HolidayCheck.de, tripadvisor.de oder hotel.de sind für viele Urlauber zu einem wichtigen Gradmesser geworden. „Auch Hotelmanager können diese Bewertungen kaum mehr ignorieren“, sagt Andreas Weishaupt. Er ist professioneller Hoteltester und hat ein Reisebüro in Gundelsheim bei Heilbronn. Manche Manager sporne die Kritik zu Verbesserungen an, andere sähen ihre Herberge zu Unrecht verunglimpft, beobachtet er.

Oliver Winter stört bei den Online-Kritiken vor allem eines: „Nur ein verschwindend kleiner Teil der Gäste gibt seine Meinung ab.“ Sein Hotel in Berlin-Mitte habe pro Jahr etwa 170 000 Gäste, beim größten Portal gebe es jedoch nur 14 Bewertungen. „Das sagt nichts aus.“ Die Portale sollten daher seiner Ansicht nach die Zahl der Übernachtungen bei jedem Haus dazustellen. „Dann kann der Nutzer das ins Verhältnis setzen.“

Bewertungen im Internet boomen schon seit längerem. Benoten können Nutzer ihren Mathe-Lehrer, den Zahnarzt für die Wurzelbehandlung oder den Sternekoch für seine Hechtklößchen. Dutzende Portale buhlen um die Aufmerksamkeit der Nutzer und Anzeigenkunden. Vor- und Nachteile dieses Instruments: Die Bewertungen bieten oft eine hilfreiche Orientierung. Auf der anderen Seite sind die Kommentare nicht repräsentativ; Missbrauch durch Eigenlob oder übertriebene Verrisse lässt sich kaum ausschließen.

Bettentester Weishaupt sieht Hotelkritiken als ein gutes Mittel, sich vor einer Reise zu informieren. Doch auch er betont: „Die Portale sind keine gemeinnützigen Verbraucherorganisationen.“ Viele der Betreiber verdienten ihr Geld als Reisevermittler und erhielten Provisionen von Veranstaltern. Daher sei die Unabhängigkeit nicht garantiert. Die Kritiken selbst sind Weishaupt oft zu oberflächlich: „Die Bewerter sind Amateure. Wer zum Beispiel daheim nur beim Drive-In einkehrt, kann das Toprestaurant im Urlaubshotel kaum objektiv beurteilen.“ Seiner Einschätzung nach sind es zudem oft die eher Unzufriedenen, die nach dem Urlaub eine Meinung abgeben.

Bei HolidayCheck, nach eigenen Angaben Marktführer bei Bewertungsportalen im deutschsprachigen Internet, sieht man das anders. „Grundfalsche Beurteilungen und Erpressungsversuche wie der in München sind extrem selten“, sagt Axel Jockwer. Zudem prüfe eine 30-köpfige Redaktion jeden Text, bevor er online geht.

Mehr als eine Million Bewertungen gibt es aktuell auf Holiday Check zu lesen, täglich kommen im Schnitt rund 700 dazu. Manche Hotels wurden bis zu 3000 Mal beurteilt. Nicht jeder darf seine Meinung über Zimmerservice, Lunchbüfett oder die Flauschigkeit der Handtücher schreiben: „Nur wer in einem Hotel auch Gast war, darf es bei uns bewerten“, erklärt Jockwer. Wer mutwillig eine falsche Kritik schreibt, müsse bewusst lügen. „Gauner gibt es überall. Die Idee der Bewertungen wird sich durch solche Fälle nicht kaputt machen lassen.“

Die zwei Rabattfüchse in München kamen mit ihrer Drohung übrigens nicht durch. „Wir haben sie am Check-in abgewiesen“, sagt Hotelier Winter. Anderswo, so ist zu hören, kann diese Masche allerdings durchaus Erfolg haben.

Jan Dube

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