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Bayern: Böller fürs Christkind

In Berchtesgaden wird’s auch in diesem Jahr nichts mit der Stillen Nacht. Die Weihnachtsschützen treten an.

Von wegen Stille Nacht. Wenn sich die Berchtesgadener Weihnachtsschützen an Heiligabend mit ihren Böllern zum „Christkindl-Anschießen“ treffen, hallt es meilenweit durchs verschneite Tal. Dabei knallen die traditionsbewussten Berchtesgadener keine gewöhnlichen Chinakracher ab. Sie feuern ihr Schwarzpulver aus sorgsam angefertigten Handböllern. Und natürlich wird das Jesuskind nicht im wörtlichen Sinne angeschossen, vielmehr wird seine Geburt lautstark begrüßt

Die Schützen geben nur zwei, drei Schüsse ab, das reicht für einen schönen Effekt: Die glutrote Feuerflamme leuchtet vor der Bergkulisse, dichte Rauchwolken steigen in den Winterhimmel auf. Das Echo hallt von den Bergen wider. Es ist nicht die bloße Lust am Knallen. Die Weihnachtsschützen wollen vor allen Dingen eine uralte Tradition pflegen, die bis in vorchristliche Zeiten reicht. Ursprünglich sollten durch den Krach die bösen Geister des Winters vertrieben werden, später im 18. Jahrhundert wurde der Brauch von der katholischen Kirche übernommen und fortan schoss man zu Ehren Gottes.

Klar, dass sich die Schützen in ihrer Tracht aufstellen – nicht nur an Heiligabend, sondern bereits in der Woche zuvor, täglich um 15 Uhr, und ebenso Silvester. Die Zeremonie wird übrigens auch bei Bauernhochzeiten abgehalten, zum Brautwecken um vier Uhr in der Früh: graue Joppe, grünes Laibl, das Bindl (statt Krawatte) – ein fescher Anblick, den die Mannsbilder bieten.

Nun ist ein Böller beileibe keine Waffe, sondern ein „Gerät“. Mit dem werde ausschließlich Salut geschossen, erklärt Franz Pfnür. Er ist der einzige Böllermacher Europas, der vom Holzschacht bis zu den Metallteilen alles in Handarbeit fertigt. Seine Werkstatt findet sich dort, wo täglich Einheimische zum Beten und Touristen zum Besichtigen hinpilgern – direkt neben der Pfarrkirche Maria Gern, wunderschön gelegen am Fuß des Berchtesgadener Unterbergs. Franz Pfnür produziert gemeinsam mit seinem Sohn Wolfgang jeden Böller als Unikat: den Schaft aus Nussbaumholz, weil dieses besonders elastisch ist. Lauf, Abzug, Hahn und Pistolenblock, alles aus Edelstahl. Das hat seinen Preis, je nach Größe kostet so ein Gerät zwischen 500 und 2000 Euro.

Rund um den Watzmann ist das Brauchtum besonders stark ausgeprägt. Ein weiteres Beispiel dafür: der Berchtesgadener Christbaumschmuck. Stefan Fischer fertigt ihn Stück für Stück in Handarbeit – von Januar bis Dezember. Für den 77-Jährigen aus Bischofswiesen ist gewissermaßen das ganze Jahr lang Weihnachten. Die Berchtesgadener schmücken ihre Tannen traditionell mit Spielzeug aus Holz im Miniaturformat. Dieser Brauch ist freilich aus der Not geboren. Früher verdienten sich die oft bitterarmen Bauern mit geschnitzten Schaukelpferden oder Puppenstuben im Winter ein Zubrot. Krax’nträger schleppten die Waren dann nach Nürnberg. Als im 19. Jahrhundert das Blechspielzeug populär wurde, ging die Nachfrage zurück. Bis ein pfiffiger Pfarrer nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Idee kam, den Christbaum in der Kirche mit den Holzfigürchen zu schmücken – und die Menschen es zu Hause nachahmten.

Stefan Fischer hat seit 1970 in Heimarbeit tausende Figuren aus Lindenholz geschnitzt und bemalt. „Ursprünglich musste ich Metzger lernen, weil’s keine andere Lehrstelle gab.“ Das Fleischerhandwerk war nichts für ihn. So kam er eines Tages, als er für seine Tochter eine Puppenstube bastelte, auf die Idee, seine Passion zum Beruf zu machen. Die grob geschnitzten Figürchen, die drei bis vier Euro kosten, gibt es auch auf dem Berchtesgadener Christkindlmarkt kaufen. Es ist ein sehr stimmungsvoller Markt vor der Kulisse von Königlichem Schloss und Stiftskirche. Natürlich ist der große Christbaum im Gotteshaus liebevoll dekoriert – mit dem typischen Weihnachtsschmuck.

Gabriele Beautemps

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