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Alles Illusion in Schwedt an der Oder, Landkreis Uckermark.

© Frank Gaudlitz

Brandenburg: Kleines Glück Heimat

Kulturland Brandenburg e. V. widmet sich in diesem Jahr dem Thema „Landschaft im Wandel“. Der Fotograf Frank Gaudlitz hat die Region porträtiert – mit verblüffenden Ergebnissen.

Fotograf Frank Gaudlitz ist viel herumgekommen in der Welt. Seine Bilder aus Russland, Osteuropa, Peru, Ecuador oder Bolivien schmücken Bildbände und wurden oft ausgestellt. Viele Arbeiten des 56-Jährigen sind preisgekrönt. Im vergangenen Jahr bekam der gebürtige Vetschauer einen „Heimatauftrag“. Der Verein Kulturland Brandenburg wünschte sich Fotos zur „Landschaft im Wandel“, das Motto des Themenjahres 2015. Was dabei herausgekommen ist, lässt sich nun in einem verblüffenden Buch bestaunen.

Von Mai bis Oktober 2014 reiste der Wahl-Potsdamer Gaudlitz mit seiner Kamera durch Brandenburg. Heimatland, das ihm eigentlich hätte vertraut sein sollen. Doch richtig beschäftigt hatte er sich nie mit dem Landstrich. „Nun hier herumzufahren, anzuhalten und zu fotografieren, hatte etwas Exotisches für mich“, sagt Gaudlitz. Was er entdeckte, war eine im wahrsten Sinne des Wortes eigenartige Region. Bei der Wahl der Motive, passend zu den Buchkapiteln „Heimat“, „ENERGIElandschaft“ oder „Paradiese“, ließen ihm die Auftraggeber freie Hand. So sind Aufnahmen entstanden, die Brandenburg jenseits der bekannten, werbeträchtigen Bilder zeigen, die gern im Tourismus verwendet werden. Solche, die ein eher sprödes Land zeigen, in dem sich die Menschen auf ihre Art eingerichtet haben.

Da sind rührend hingezimmerte Stelzenhäuschen am Wolletzsee, ein verwunschen wirkendes Gartenidyll unter einer Autobahnbrücke oder eine schön restaurierte, aber wie für alle Zeiten verschlossen erscheinende Backsteinkirche. Ob hier noch ab und zu ein Pfarrer auf der Kanzel steht? Und wann ist das Gotteshaus je für Besucher geöffnet?

Hauptsache, Reklame. Gesehen in Großkoschen, Landkreis Oberspreewald-Lausitz.
Hauptsache, Reklame. Gesehen in Großkoschen, Landkreis Oberspreewald-Lausitz.

© Frank Gaudlitz

Warum ist der Himmel so oft grau?

Vor einem schäbigen Haus ist eine riesige Deutschlandfahne in den Rasen gepflockt. Hinter sich die bröckelnde Fassade, sitzt ein Mann allein an einem Tisch. Ein Plastikstuhl lehnt schräg dagegen. Es sieht nicht so aus, als käme noch jemand, der sich – zur Gesellschaft – daraufsetzen wollte. Auf dem Tisch steht ein leeres Bierglas. Ein Stillleben der Einsamkeit.

In Lübben schaute Gaudlitz zu einem Plattenbau. Und sah auf dem Balkon drei aufgespannte Sonnenschirme, zwei rote links und rechts, dazu ein gelber in der Mitte. „Ich musste schmunzeln, als ich das sah“, erzählt der Fotograf. Die Anordnung der Schirme verrate ihm die Befindlichkeit des Mieters, „das hatte so etwas Ordentliches.“ In Großkoschen lichtete er einen grauen, fensterlosen Betonbau ab, an dem mit riesigen Transparenten geworben wurde. „Immer Sonderangebote“, ist darauf zu lesen, „Wertvolle Leder-Garnituren“ und auch „Immer SPOTT-BILLIG“. Wer kauft hier ein, fragt man sich, und: Kann sich dieser kuriose Möbelladen halten? Wozu diente der graue Bau wohl vor der Wende? Viele von Gaudlitz’ Fotos zeigen eine rätselhafte Gegenwart.

Im Umland etwa stoppte der Fotograf an einer Neubausiedlung in Wegendorf. Sie besteht aus Fertighäusern, die sich nur durch die Farben der Dächer unterscheiden. Was trieb Menschen dazu, sich hier ein Stück Heimat zu kaufen? Man sieht sie nicht. Marktplätze, Wiesen, Wälder – vieles scheint verlassen. Ein „malerisches, stilles Land“, findet Gaudlitz. Selten spannt sich ein blauer Himmel darüber.

Warum ist der Himmel oft so grau? „Ich würde es nicht grau nennen“, sagt der Fotograf, „es ist eher ein nuancierter Himmel.“ Typisch für unsere Breiten. Vielerorts drehen sich Windräder. Aberdutzende sind es, die auf dem Gelände des ehemaligen Tagebaus Klettwitz-Nord in die Höhe ragen. Der Energiewandel in Brandenburg ist augenfällig. Am Ufer des neuen Bergheider Sees inmitten des zerklüfteten Bergbaugeländes deuten zartgrüne Pflanzen die Entstehung eines Schilfgürtels an. Wunder der Natur.

Ein bisschen verloren wirkt Brandenburg mitunter, keinesfalls glücklich. Gaudlitz protestiert. „Das Land hat etwas Sympathisches“, findet er, oft habe er Dinge zum Schmunzeln entdeckt. Nur brauche man eben Zeit, um das wahrzunehmen.

Brandenburg ungeschminkt

Im Kapitel „Schöpfungen“ zeigt sich, wie der Mensch zu allen Zeiten bestrebt war, die Landschaft zu verändern. Beispiele sind die akkurat zurechtgestutzten Bäume einer preußisch angelegten Allee im Neuen Garten von Potsdam, aber auch der Erlebnis- und Freizeitpark „Irrlandia“, wo bunte Plastikliegen in einem Sandareal auf Gäste warten. Rundherum ragen Palmen auf. Sie sind aus Blech. Kann man seine Freizeit trostloser verbringen?

Aufsätze zwischen den Bildstrecken vermitteln Wissenswertes, etwa zur „AGRARlandschaft“. Brandenburgs Böden sind arm. „Das Ackerland hat eine durchschnittliche Güte von 32 Punkten, weit unter dem Durchschnittswert für Deutschland (45)“, heißt es da. Aber auch, dass Brandenburgs landwirtschaftliche Fläche zu mehr als zehn Prozent ökologisch bewirtschaftet wird, der höchste Wert deutschlandweit. Oder dass Brandenburg mit weit über 33 000 Kilometern Fluss- und Bachläufen und rund 10 000 Seen das gewässerreichste Bundesland Deutschlands ist.

Schwan, gut versteckt. Hölzerner See im Landkreis Dahme-Spreewald.
Schwan, gut versteckt. Hölzerner See im Landkreis Dahme-Spreewald.

© Frank Gaudlitz

Brandenburg, ungeschminkt. Die Schriftstellerin Julia Schoch tut sich schwer, „die Heimat zu finden“. Der alte Konsum ist nun putzig aufgemacht, Sanddornmarmelade und Obstlikör werden verkauft, von Menschen, die nicht aus dem Ort sind. Sie schreibt: „Die Zugezogenen in den Dörfern ähneln den alten Bewohnern in gar keiner Hinsicht. (...) Vor allem hegen sie keinerlei Misstrauen neuen Dingen gegenüber. Allerdings ist bei den letzten verbliebenen Einheimischen die Feindlichkeit ebenfalls der Gleichgültigkeit gewichen. Die alten und die neuen Nutzer der Dörfer kommen sich kaum in die Quere.“

Nichts mehr, wie es war? Ein bisschen Hoffnung bleibt. Julia Schoch radelt durchs Land. „Rechts der Wald, links das gelbe Weizenfeld, und in der Mitte der krumme, wurzlige Weg, der zum See führte, da dachte ich: So ähnlich ist Heimat. – Etwas, das ich in zwanzig Jahren vielleicht noch genauso vorfinden würde.“ So einen Weg hat Gaudlitz natürlich auch fotografiert.

Frank Gaudlitz (56), studierte künstlerische Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Er arbeitet vorwiegend an Langzeitprojekten, etwa in Osteuropa oder Südamerika.

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