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NBorwegisches Idyll: Modernisierte Fischerhütten für dTouristen auf den Lofoten.

© Frithjof Fure / IN / ddp

Tourismusexperte Manuel Kliese: "Unsere Wildnis ist ein kultureller Wert"

Norwegens Öl wird immer billiger. Nun sucht das Land seine Zukunft verstärkt im Tourismus. Manuel Kliese fährt am liebsten nach Spitzbergen.

Herr Kliese, das norwegische Öl hat in der Vergangenheit viel dazu beigetragen, dass das Land reich geworden ist. Nun purzeln die Preise an den Rohstoffmärkten. Norwegen reagiert darauf und setzt auf andere Einkommensquellen. Aber dem Land geht es doch immer noch gut?

Ja, aber die Arbeitslosenquote wächst, sie überschreitet jetzt schon vier Prozent. Das ist für europäische Verhältnisse wenig, aber für Norwegen ist es viel. Norwegen hat eine privilegierte Zeit erlebt, und die Norweger haben es sich bequem gemacht. Rohstoffreichtum ist nicht immer ein Motor für Entwicklung. Norwegen hat einen der höchsten Lebensstandards weltweit, aber den muss man sich auch verdienen.

Nun will das Land sich mehr auf den Tourismus konzentrieren. Mehr Feriengäste sollen kommen, vor allem aus Deutschland.

Gemessen an den Hotelübernachtungen betrug der Anteil der Deutschen in Norwegen im vergangenen Jahr rund 20 Prozent, entsprechend waren das 1,1 Millionen deutsche Übernachtungen. Wenn man sich aber anschaut, wohin die Deutschen in die Ferien fahren, sieht man, dass nur ein Prozent der Urlauber Norwegen wählt. Wir peilen – als mutiges Ziel für das Jahr 2020 – zwei Prozent an.

Vielleicht schrecken viele die hohen Preise in Norwegen ab?

Da muss man differenzieren. Was ist denn teuer in Norwegen? Zunächst mal ist der Wert der Krone gegenüber dem Euro in den vergangenen Jahren um 15 Prozent gesunken. Das macht sich bemerkbar. Die Preise für Hotelübernachtungen oder Bus- und Bahntickets bewegen sich im normalen Rahmen. Wer im Restaurant essen geht, zahlt allerdings mehr.

Vor allem, wenn er noch ein Gläschen Wein zum Menü bestellen will.

Es stimmt, die Preise für Alkohol sind höher in Norwegen, das wird sich auch nicht ändern. Das gibt die Politik so vor. Ein Glas Wein ist nicht das Problem, aber wenn man eine Flasche bestellt, schlägt das natürlich zu Buche. Ein Urlaub kann aber sehr genussvoll sein, ohne dass man viel Alkohol trinken muss.

Manuel Kliese (32) ist seit 2014 neuer Leiter von Visit Norway, Deutschland.
Manuel Kliese (32) ist seit 2014 neuer Leiter von Visit Norway, Deutschland.

© promo

Trotz des günstigeren Wechselkurses bekommt man in Norwegen für einen Euro nur einen Warenwert von 70 Cent. In Schweden sind es immerhin 85 Cent.

Ja, aber was bekommt man für das Geld? Wir setzen auf das Motto „more value for money“, also auf einen Mehrwert im Urlaub. Darunter verstehen wir ideelle Werte. Norwegen bietet schließlich Naturräume, die es so in Europa nirgendwo mehr gibt.

Ungezählte Fjorde, wilde Berglandschaften und dünne Besiedlung zeichnen Norwegen aus. Das Land hat ja nur rund fünf Millionen Einwohner – und die schätzen die Stille. Es gibt einen norwegischen Witz, der lautet: Ein Norweger kommt aus dem Urlaub im eigenen Land zurück und wird von Kollegen gefragt: Wie war's? „ Schrecklich“, sagt der. „Ich habe beim Wandern einen Menschen getroffen.“ Und nun sollen sie sich an immer mehr Touristen gewöhnen?

Der Norweger erlebt sein Land in extremer Weise, der ist mit Bergen und Schnee anders vertraut. Dort wagen sich Touristen gar nicht hin. Da gibt es kein Konfliktpotenzial. Wir wollen den Tourismus vor allem in den Städten und entlang den Landschaftsrouten entwickeln und setzen dort auf vorhandene Infrastruktur. Die Touristen, die wir im Blick haben, treffen Sie nicht im Hochgebirge. Wir wollen eine ökologische und sozialverträgliche Entwicklung fördern. Was derzeit am Geirangerfjord passiert, ist dafür kein gutes Beispiel. Es gibt schon zu viele Kreuzfahrtschiffe dort, manchmal wuselt es dort vor Menschen. Diese Art von Tourismus wollen wir nicht forcieren.

Die Hurtigruten-Linie gehört jetzt einem britischen Finanzinvestor

NBorwegisches Idyll: Modernisierte Fischerhütten für dTouristen auf den Lofoten.
NBorwegisches Idyll: Modernisierte Fischerhütten für dTouristen auf den Lofoten.

© Frithjof Fure / IN / ddp

Oslo liegt im Städteranking weit hinter den skandinavischen Konkurrentinnen Kopenhagen und Stockholm. Wie kommt das?

Das lag in der Vergangenheit an der sehr, sehr starken Krone, aber auch daran, dass Oslo nach eigenem Selbstverständnis nicht so viel zu bieten hatte. Jetzt entwickeln wir Oslo zum Städtereiseziel, da tut sich ganz viel. Es gibt spektakuläre neue Gebäude, Museen, das Opernhaus... Da können wir schon Erfolge verzeichnen. Wir haben zweistellige Zuwachsraten.

Schweden positioniert sich erfolgreich als umweltfreundliches Land. Überall geht es da um Nachhaltigkeit. Das kommt gerade bei deutschen Touristen gut an. Die Norweger gehen dagegen recht verschwenderisch mit Energie um, an manchen öffentlichen Gebäude soll es nicht mal Lichtschalter geben. Das Licht brennt Tag und Nacht.

Nachhaltigkeit ist etwas, das wir voraussetzen in einem nordischen Land. Das müssen wir nicht vor uns hertragen. Unsere Energie kommt zu fast hundert Prozent aus regenerativen Energieträgern, wir nutzen keine fossilen Brennstoffe zur Stromerzeugung. Vielleicht gehen Norweger daher etwas sorgloser mit Energie um. Zudem boomt etwa der Absatz von umweltfreundlichen Elektroautos.

Die Regierung hat den Kauf dieser Autos gefördert...

Ja, aber das wird jetzt eingestellt. Mit einem Elektroauto konnte man die Busspuren nutzen, etwa in Oslo und Bergen. Dann waren es so viele Autos, dass sie im Stau standen. Das macht keinen Sinn. Das Interesse an Elektroautos zeigt aber auch, dass Norweger sehr interessiert sind an neuen umweltfreundlichen Entwicklungen. In Deutschland dauert so ein Umdenken wohl etwas länger.

44 Nationalparks gibt es in Norwegen. Auch die will man jetzt mehr in den Tourismus einbinden. Widerspricht das nicht dem Schutzgedanken?

Nein, wir wollen neue Konzepte für die touristische Entwicklung nutzen. Unser Vorbild im Naturmanagement ist Spitzbergen, das ist streng und gut verwaltet. Und es funktioniert. Wir wollen die Touristen leiten, ihnen Wege durch die Natur ebnen, ohne dass etwas zerstört wird. Wir planen ja keine großen Investments dort oder wollen gar große Hotels in die Schutzgebiete bauen. Wir sind stolz auf unsere Wildnis, sie ist ein kultureller Wert. Wir wollen sie nicht verfügbar machen. Aber wir wollen, dass unser Land abseits der unzugänglichen Regionen gerade für Ausländer leicht zu erwandern ist. Ein Beispiel dafür ist der Olavsweg, der von der Ostküste Schwedens über gut 500 Kilometer bis ins norwegische Trondheim führt.

Die Schönheit Norwegens kann man auch vom Schiff aus erleben. Die Hurtigruten-Linie macht es möglich. Aber die gehört jetzt einem britischen Finanzinvestor. Ist dem Land denn nichts mehr heilig?

Gerade weil es so eine gute Marke ist, hat sich der internationale Kapitalmarkt dafür interessiert. Dennoch bleibt die Schiffslinie ein norwegisches Produkt und wird weiter von Norwegen aus gemanagt. Vertraglich ist festgelegt, dass Hurtigruten so wie bisher funktioniert.

Wenn Sie persönlich Urlaub machen in Norwegen, wo fahren Sie hin?

Ich liebe Spitzbergen. Abseits der Inseln bin ich gern an der Helgelandküste, westlich von Mo i Rana. Da wohne ich dann bei einem Freund in einem schönen alten Norwegerhaus in Kvina. Touristen kommen eher selten in diese Gegend.

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