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Tief verwurzelt. Die knorrigen Bäume des Friedhofs zeugen vom mediterranen Klima der spanischen Insel. Foto: mauritius images

© mauritius images

Zentralfriedhof: Mallorca, ganz still

Er liegt nicht gerade dort, wo in Mallorcas Hauptstadt die meisten Touristen flanieren. Doch wer Palmas Zentralfriedhof im Nordwesten des Stadtzentrums besichtigen möchte, findet ihn ganz leicht.

Er braucht zum Beispiel nur die Buslinie 9 von der Plaza de España zu nehmen und an der Haltestelle Cementeri auszusteigen: Mallorca einmal ganz anders.

„Palmas Friedhof ist in mehrfacher Hinsicht ein Spiegelbild“, sagt Willi Kramme, der Touristen auf dem Fahrrad mit den Schönheiten und Besonderheiten der Stadt vertraut macht. „Er gibt einen Eindruck vom Wandel der Gesellschaft in vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten. Zugleich zeigt er die Entwicklung der Begräbniskultur und der Architektur.“ Die Gäste, die bisher an einer „Stadtrad“-Tour mit Abstecher zum Friedhof teilgenommen haben, waren fasziniert. Sie erfuhren dabei, dass viele Mallorquiner gar nicht unter die Erde kommen, sondern darüber bleiben: Die Reichen werden in prunkvollen Mausoleen bestattet, die weniger Wohlhabenden in Nischen in Grabwänden oder Gebäuden, die ein bisschen an Schachtelhotels aus den Siebzigern erinnern.

Ein Rundgang über den Friedhof, der 1820 eingeweiht wurde, ist wie ein Museumsbesuch: Tausende von Gräbern, ein Meer von Kreuzen, Denkmälern, Engelsfiguren, Ornamenten und Grabplatten mit Bildern der Verstorbenen. 180 000 Menschen haben hier nach den Zahlen des städtischen Bestattungsunternehmens EFM ihre letzte Ruhe gefunden.

„Generell ist der Friedhof ein angenehmer Ort, wie ein Skulpturengarten“, heißt es in einem kürzlich – auf Katalanisch – erschienenen Buch über den bislang bei Touristen nur wenig bekannten Ort. Auch der Inselrat empfiehlt den Zentralfriedhof als Teil einer Besichtigungstour. Zu den Erbauern der Mausoleen gehört der Architekt Gazpar Bennàzar. Er wurde berühmt unter anderem wegen seines Entwurfs für die berühmte Stierkampfarena von Palma, von wo aus das ZDF regelmäßig Thomas Gottschalks „Wetten, dass ...?“-Sommersendung überträgt. Ebenso geben diverse Werke des Gaudí-Schülers Tomàs Vila Beispiele für die unterschiedlichen Bauepochen von Neo-Gotik über Neo-Barock bis zum Jugendstil.

Vor manch einem Totenhaus bleiben Besucher besonders staunend stehen: Mehr als 500 Quadratmeter groß ist zum Beispiel das Mausoleum der mallorquinischen Bankiersfamilie March, einer der zehn reichsten Familien der Welt. In einem futuristisch wirkenden Monument wurde der Bruder von Diktator Franco, Ramón Franco, begraben. Er starb 1938 beim Absturz seines Wasserflugzeugs. Daneben steht ein Denkmal für die im spanischen Bürgerkrieg gefallenen italienischen Soldaten.

„Der Friedhof hat aber auch einen dunklen Punkt, um den sich alle möglichen Legenden ranken“, heißt es in dem Reiseführer. „Das sind die Katakomben.“ Dabei handelt es sich um eine dunkle und feuchte unterirdische Galerie mit Nischen auf beiden Seiten. Hier wurden unter anderem viele Opfer einer großen Grippeepidemie von 1918 bestattet. Aber auch oberirdisch gibt es an anderer Stelle eine Grabwand mit Gräbern in sieben Etagen. Ganz ungefährlich ist ein Friedhofsbesuch nicht: Schilder warnen vor dem Betreten der alten Grabplatten, die mitunter nur locker über den Öffnungen liegen. Im vergangenen Jahr berichtete das „Mallorca Magazin“ von einer Friedhofsbesucherin, die durch ein Loch in eine in Vergessenheit geratene Gruft aus dem 18. Jahrhundert fiel und sich verletzte.

Auch in Soller, dem netten Ort im Westen der Insel, ist ein imposanter Friedhof zu entdecken. Nicht nur wegen der Marmorfiguren und kleinen Kapellen, sondern auch aufgrund der Namen und Sprüche auf den Grabsteinen. Deutsche, französische und englische sind darunter. „Unser Friedhof ist international“, sagt ein Mallorquiner denn auch stolz. (dpa/Tsp)

Wolfgang Duveneck

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