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Robben

© dpa

Helgoland: Wacht auf der Düne

In den Wintermonaten kann man am Strand von Helgoland die neu geborenen Robben beobachten.

Die heilige Familie liegt Frank Gutzke besonders am Herzen: „Das Kleine kam am Heiligabend zur Welt. Seitdem liegen Muttertier, Bulle und das Kleine hier in trauter Dreisamkeit beisammen.“ Der wettergegerbte Rentner hält nun schon seit mehr als drei Wochen Wacht auf der Düne, der kleinen Sandinsel direkt vor Helgoland. Im Winter werfen hier die Kegelrobben ihre Jungen, und Frank Gutzke und seine Kollegen vom Vogelschutzverein Jordsand achten darauf, dass sie nicht allzu sehr gestört werden. Doch bestaunen darf man die Tiere.

Lange Zeit galten Kegelrobben an deutschen Küsten als ausgestorben. 1989 jedoch kehrte die erste nach Helgoland zurück, das erste Junge wurde 1996 geboren. Seitdem wächst der Bestand kontinuierlich. 31 Geburten wurden im vergangenen Jahr gezählt. Zum Jahreswechsel 2007/2008 waren es schon 47.

Deutschlands größtes einheimisches Raubtier sorgt vor Deutschlands einziger Hochseeinsel für Deutschlands – Knut-Fans mögen verzeihen – niedlichsten Nachwuchs. Ein derart superlativ- trächtiges Ereignis wollen die Helgoländer natürlich auch touristisch vermarkten. Doch verträgt sich der Wunsch der Besucher, den Tieren möglichst nahezukommen, nur begrenzt mit deren Bedürfnis, ihre Kleinen ungestört großzuziehen. Damit die Gratwanderung gelingt, trotzen Gutzke und seine Kollegen täglich freiwillig kaltem Niesel und heftigen Böen.

Von Helgoland setzen die Besucher mit einer kleinen Fähre zur Düne über. Dann stapfen sie los, querfeldein über die Sandstrände, die die 0,7 Quadratkilometer kleine Insel von drei Seiten einrahmen. Und da liegen sie schon, vereinzelt in Kuhlen und halb zugeweht: 60, 70 Zentimeter lange, regungslose dicke Maden in schmutzigweißem Kuschelfell. Der Wind beißt, und manchmal befürchtet man, sie seien erfroren – bis einen aus dem Sand doch wieder zwei schwarze, hellwache Kulleraugen anblicken. Die Mutter daneben, eine hellgraue, fast zwei Meter lange Speckrolle, hebt ab und zu aufmerksam den Kopf. Und aus der Gischt am Meeressaum behält der stolze Papa, eine schwarzglänzende Walze mit fünf, sechs Zentnern Lebendgewicht, sein Revier im Blick. Herumliegen, schlafen, zuzeln an Mutters Zitzen – junge Robben bersten nicht gerade vor Aktivität. Aber schließlich besteht ihre Hauptaufgabe darin, sich pro Tag ein Kilo Speck auf die Rippen zu saugen. Manchmal drehen sie sich auf dem Rücken oder robben, auf die Vorderflossen gestützt, ein Stück durch den Sand. Tasten aber immer mal wieder mit der Flosse hinüber: Ist Mama wirklich noch da?

Näher als 30 Meter sollten sich Beobachter den Tieren nicht nähern – ein Abstand, den nur die wenigsten einhalten. Verhält sich jemand gar zu penetrant, redet Gutzke schon mal Klartext: „Sie bleiben jetzt einfach mal ruhig stehen! Mit Ihrem Gehampel machen Sie die Tiere ganz hibbelig.“

Jeder Besucher kann auf eigene Faust losziehen und das sehr beschauliche Dasein von Familie Robbe studieren. Oder auch mal miterleben, wie ein Bulle zügig das Wasser verlässt, sich erstaunlich schnell den Sandhügel hochschiebt, drohend das Maul aufreißt – und der kleinere Nebenbuhler, der herangeschlichen ist, als könnte er kein Wässerchen trüben und doch nichts anderes im Sinne hatte als seines Nächsten Weib, schleunigst das Feld räumt.

Interessanter ist ein Rundgang mit einem der beiden offiziellen „Seehundjäger“ Dieter Siemens und Rolf Bledel, die zwar schon auch mal eine schwer verletzte oder kranke Robbe erschießen müssen, sich aber vor allem als Heger der Tiere verstehen. Mit etwas Glück sind Touristen sogar dabei, wenn Siemens oder Bledel sich einen der kleinen Wonneproppen an der Hinterflosse greift und ihm mit einer Zange eine grüne Identifikationsmarke antackert, ohne sich um das Gezappel zu kümmern.

Frank Gutzke wacht heute in der Nähe zweier Jungtiere. Sie sind schon ergraut und verlieren gerade die letzten Büschel des flauschigen Babyfells. Rund vier Wochen alt sind die beiden, und bald ist Schluss mit lustig und der Gratisabfüllung an Mutters Zitzen. Jeden Morgen kann es soweit sein, dass sie sich auf den Weg machen hinunter zur See. Das Vagabundenleben ruft, mit Ausflügen nach Schottland und Norwegen, und auch das Dasein als Selbstversorger: Anderswo schmecken Hering und Sandaal noch besser. „Und in fünf, sechs Jahren“, sagt Gutzke, „wenn sie sich die Hörner abgestoßen haben, kommen sie zurück nach Helgoland und gründen hier ihre eigene Familie.“

Helgoland Touristik, Helgoland, Telefon: 0180/5643737, www.helgoland.de

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