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Immer fröhlich. Nadine Deiters arbeitet im Hotel Am Kloster im niedersächsischen Wienhausen und freut sich, täglich neue Menschen um sich herum zu haben.

© Sebastian Hoff

Hotelservice inklusiv: Das Lächeln kommt von Herzen

Erfolg mit integrativem Konzept: In den Embrace Hotels arbeiten zahlreiche Menschen mit Handicap.

„Ich habe vorher in einer Behindertenwerkstatt gearbeitet. Seit letztem Oktober habe ich eine Stelle hier im Hotel. Ich räume die Spülmaschine aus, bereite das Frühstück vor, reinige die Zimmer, aber am liebsten bediene ich die Gäste an den Tischen. Die sind immer freundlich zu mir, ich fühle mich pudelwohl“, sagt die 27-jährige Ivonne Hardam, die im Hotel Am Kloster im niedersächsischen Wienhausen arbeitet. Ein besonderes Hotel: Die Hälfte der Angestellten sind Menschen mit einer Behinderung. Bundesweit gibt es rund 40 sogenannte integrative Hotels, die im Verbund der Embrace Hotels zusammenarbeiten, dazu kommen zwei Häuser in Italien und Griechenland. Ihre Philosophie: Alle Menschen sind gleichbedeutend und wertvoll für die Gesellschaft. Das leitet sich schon ab von dem Namen embrace, was so viel heißt wie umarmen oder sich zusammenschließen.

„Bei unseren Mitgliedern arbeiten insgesamt 1100 Menschen, davon mehr als die Hälfte mit einem geistigen, körperlichen oder psychischen Handicap. Die Embrace Hotels müssen wirtschaftlich denken, aber sie sind nicht profitgeprägt“, sagt Martin Bünk, Embrace-Vorsitzender und selbst Leiter eines integrativen Hotels. „Viele Gäste im Jugendgästehaus Kühlungsborn wissen nicht, dass hier auch Behinderte arbeiten. Sie sind manchmal erstaunt, von einer Servicekraft mit Down-Syndrom bedient zu werden, und nicht selten ergeben sich so direkte Kontakte. Wir haben Stammbesucher, die auf ihren Reisen am liebsten in einem Haus unseres Verbandes Station machen“, erzählt Bünk. Demnächst eröffnet in Rostock das Hotel Sportforum, mit 92 Zimmern dann das größte Embrace Hotel. Dass die familiäre Atmosphäre in den meist kleinen Embrace Hotels, von der die behinderten Mitarbeiter so schwärmen, dort verloren gehen könnte, befürchtet Bünk nicht.

„Wir müssen mindestens so gut sein wie andere Hotels, sonst bleiben die Gäste weg. Wir werben nicht damit, dass hier Behinderte arbeiten, aber wer es mitbekommt, der findet es gut“, betont Iris Höft, Leiterin des Wienhauser Klosterhotels sowie des Hotels Blumlage in Celle, die beide zur Lebenshilfe gehören. Andere Embrace Hotels werden von der Arbeiterwohlfahrt, der Caritas oder dem Diakonischen Werk als gemeinnützige GmbHs betrieben. Beim Preisniveau unterscheiden sie sich nicht von den Hotels in ihrer Umgebung. Wohl aber im Service. Unter anderem punktet man mit Barrierefreiheit für behinderte Gäste.

Das Stadthaushotel Hamburg, das erste deutsche Hotel mit einem hohen Anteil von behinderten Beschäftigten, wurde vor zwanzig Jahren von Eltern gegründet, die dadurch reguläre Arbeitsplätze für ihre Kinder schaffen konnten. Auch das Elisabeth Hotel aus Detmold geht auf eine solche Elterninitiative zurück, hier sind zwei Drittel aller Mitarbeiter behindert. Das Drei-Sterne-Hotel zahlt, wie auch die übrigen Embrace Hotels, für alle Beschäftigten mindestens den im Hotelgewerbe geltenden Tariflohn – wesentlich mehr als in Behinderten-Werkstätten üblich. Für die behinderten Mitarbeiter gibt es einen Lohnkostenzuschuss von 30 Prozent. „Sie haben bei uns halbe Stellen mit 19,5 Stunden pro Woche. Eine volle Stelle wäre für sie zu anstrengend“, sagt Hotelleiter Kilian Wege.

Die 24-jährige Nadine Deiters arbeitet fünfmal in der Woche sechs Stunden im Hotel Am Kloster, auch regelmäßig am Wochenende. Die zurückhaltende Frau bedient nicht so gern im Café, doch sie freut sich über die täglich neuen Menschen um sie herum. Sie reinigt vor allem Zimmer und Bäder, macht die Betten, bereitet in der Küche die Käse- und Wurstplatten für das Frühstück zu. „Das ist manchmal ganz schön anstrengend – vor allem, wenn viele Gäste da sind und wenig Zeit bleibt“, sagt Nadine. „Aber wenn man es dann geschafft hat, dann ruft man Juhu!“

Astrid Albers ist Hausdame im Wienhausener Hotel. In ihrem langen Berufsleben hat sie viele andere Häuser kennengelernt und weiß, dass auch an ihrer jetzigen Arbeitsstätte nicht immer eitel Sonnenschein herrscht. „Es kommt auch mal vor, dass einer der behinderten Mitarbeiter sagt: ,So, ich will jetzt nicht mehr.’ Und alles hinwerfen will. Dann war der Stress gerade zu groß, weil jemand zum Beispiel beim Bedienen nicht mehr hinterherkam. Dann macht jemand halt zehn Minuten Pause, und danach geht es wieder weiter. Wir als gelernte Kräfte achten darauf, dass niemand überfordert wird“, sagt Astrid Albers. Ihr sind die behinderten Kollegen ans Herz gewachsen: „Sie kommen oft mit einem strahlenden Lächeln zur Arbeit. Das ist gut für die Atomsphäre.“

Eine Einschätzung, die von vielen Gästen bestätigt wird: „Nettes Personal“, heißt es in einer von zahlreichen positiven Internet-Bewertungen bei Trivago – bei dem Hoteltester schneidet das Hotel Am Kloster unter den Drei-Sterne-Hotels in der Lüneburger Heide am besten ab. Ein typischer Gast dürfte Roland Braun aus Brandenburg sein. Er ist einige Tage in Celle zu Besuch, wo er früher lebte, und hat das dortige Embrace Hotel als Unterkunft gewählt: „Für mich ist die zentrale Lage am wichtigsten. Dass hier auch Beschäftigte mit einer Behinderung arbeiten, habe ich früher gar nicht gewusst. Aber ich finde das gut und will das unterstützen.“

Eine Übersicht über die integrativen Hotels findet sich unter: embrace-hotels.de

Joachim Göres

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