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Interhotel: "Wir hatten auch eine Blumenfee"

So funktionierte ein Interhotel: Zwei Mitarbeiter in Potsdam erinnern sich.

17 Stockwerke hoch ragt der Hotelklotz in den Himmel über Potsdam. Ein Schandfleck an der Langen Brücke, finden viele. „1969, als das Haus eröffnete, waren alle stolz darauf“, sagt Hans-Joachim Zander. „Um das Ding hochzuziehen, musste ein Kran aus Westdeutschland geliehen werden“, erinnert sich der Potsdamer. „So große Kräne hatten wir gar nicht in der DDR.“ Es war das zehnte Interhotel im Land, eines also, in dem auch Gäste aus den „nichtsozialistischen Wirtschaftgebieten“ logieren konnten.

1977 fing Zander, heute 57, in dem Vorzeigeobjekt als Haustechniker an. Eine vielseitige Arbeit, bei der „man gutes Geld verdiente“. Ein Jahr zuvor schon hatte Martina Viole dort ihre Lehre als Kellnerin begonnen. Kein Job, von dem junge Menschen gemeinhin träumten. Allerdings: „Kellnerin im Interhotel, das war schon etwas“, sagt die 50-Jährige.

Beide sind immer noch in dem Haus tätig, das seit 1992 von der Accor-Gruppe unter der Marke Mercure betrieben wird. Hans-Joachim Zander ist heute Leiter der Technik, Martina Viole ist Hausdame. Rund 60 Mitarbeiter hat das Hotel mit seinen 200 Zimmern heute. Zu DDR-Zeiten waren hier 400 Menschen angestellt. „Es gab für jeden Gast einen“, sagt Hans-Joachim Zander. Das Haus hatte eigene Werkstätten, eine Polsterei, eine Schlosserei. „Alles, was anfiel, wurde von Angestellten erledigt.“ Früher sei ja auch das Kochen viel aufwendiger gewesen. „Damals haben wir den Rotkohl in Kisten bekommen, heute werden nur die Tüten aufgerissen“, sagt Martina Viole. Fische schwammen quicklebendig im Bassin, im Wildkeller hingen Rehe. „Heute kommt alles tiefgefroren an“, sagt die Hausdame.

Die ersten fünf Etagen des Hotels durfte der Feriendienst des FDGB belegen. „Verdiente“ DDR-Bürger konnten hier Urlaub machen, im Winter eine Woche, im Sommer zwei Wochen. In den Etagen darüber waren jene Menschen untergebracht, die mit Valuta zahlten. „Unterschiede in der Behandlung der Gäste gab es nicht“, behauptet Martina Viole. Alle hätten gleichermaßen ihren Tisch im Restaurant bekommen. Trotzdem gab es manchmal Schlangen vor der Tür. Denn auch die Potsdamer wollten hier gern essen, das Hotelrestaurant Sanssouci war berühmt für seine Qualität. Aber da das Hotel meist zu 100 Prozent ausgelastet war, konnte man „außer der Reihe“ nur schwer einen Platz ergattern. Damals“, weiß der Haustechniker, „verdiente ein Türsteher mehr als der Direktor.“

Auch Kellner und Kellnerinnen bekamen natürlich Trinkgeld. Sofern es sich um Fremdwährung handelte, musste sie abgegeben werden. „Für die D-Mark gab es im Umtausch sogenannte Forum-Schecks“, erzählt Viole. Gutscheine, mit denen in den Intershops eingekauft werden konnte. Kosmetik, Kleidung und was es sonst noch Begehenswertes gab. Keinesfalls durfte man die D-Mark behalten. Wer erwischt wurde, wanderte ins Gefängnis.

Westdeutsche zu Besuch in der DDR erinnern sich bisweilen an einen nicht allzu freundlichen Service im Land. „In HO-Gaststätten war es vielleicht so“, sagt Martina Viole, „aber nicht bei uns im Interhotel. Schließlich sei monatlich der „„freundlichste Mitarbeiter“ geehrt worden, es habe auch Prämien gegeben.

Die Interhotels waren Aushängeschilder. Schon die Ausstattung war besonders. „In der Bar gab es wertvolle Gläser aus Kristall“, erinnert sich Zander. Und den Blumenschmuck arrangierte eine eigens dafür angestellte „Blumenfee“. „Wenn es keine Rosen gab, hat sie eben mit Nelken dekoriert, aber Blumen waren immer da“, erklärt die Hausdame. „Wir haben gern hier gearbeitet“, sagt Zander. „Dass wir abgehört wurden, haben wir erst nach der Wende mitbekommen.“

Die neuen Betreiber haben gründlich renoviert. „Aber die Suite 1509 sieht noch ein bisschen wie damals aus“, sagt Martina Viole. Auch ein Schränkchen im Biedermeierstil steht noch drin. Heute ist es leer, „aber damals stand original Meißner Porzellan drin“, ergänzt Zander. Der erste Direktor habe es rauswerfen lassen, weil er dachte, es seien Kopien.

Ist – bezogen auf das Hotel – heute alles besser als früher? „Es ist anders“, sagt Martina Viole. Hella Kaiser

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