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Israeltourismus: Wo Meer und Wüste locken

Aufschwung für Israels Tourismus. Neben Kulturreisen sind auch Rad- und Wandertouren gefragt.

Der kleine Fleck auf der Landkarte ist kein weißer mehr. Längst haben sich viele Deutsche ein Bild über den schmalen Streifen in Nahost gemacht. Doch noch zu oft ist es geprägt von Bomben statt Baden und Unruhen statt Urlauben. Langsam jedoch wendet sich das Blatt anscheinend: „Israel ist wie geschaffen für Ferien, sogar mit der ganzen Familie“, gibt sich Besucherin Cordula Pöhler aus Lohmar begeistert. Vor kurzem erkundete sie das Land gemeinsam mit Mann und Tochter. Touristen wie die Pöhlers sind es, die das Zerrbild geraderücken: Israel ist überschaubar, vielfältig, gar nicht so weit von Deutschland entfernt und definitiv eine Reise wert. Das sehen immer mehr Menschen so. Wie die ansteigenden Touristenzahlen belegen.

Seit jeher gleicht die Anzahl der ausländischen Besucher Israels einer Achterbahnfahrt. Politische Krise oder Krieg: Zahlen im Keller; relative Ruhe: Zahlen wieder rauf. So ist es auch in diesen Tagen: Nach dem zweiten Libanonkrieg vom Sommer 2006 herrschte an den Kontrollhäuschen des Ben-Gurion-Flughafens für „ausländische Pässe“ lange Zeit gähnende Leere, jetzt stehen die Menschen wieder Schlange. Seit Jahresbeginn reisten 2,5 Millionen ein, im Vergleich zur selben Periode des Vorjahres sind das 27 Prozent mehr.

In weniger als sechs Stunden würde man es im Auto von Nord nach Süd schaffen – wären da nicht die zahllosen Ausgrabungen, die jeden Hobbyhistoriker alle paar Minuten zum Anhalten verleiten. Mit Bet Schean, Casearea und Co. ist Israel wie ein einziges überdimensionales Freiluftmuseum. Es quillt geradezu über vor Sehenswürdigkeiten und religiösen Stätten. Nicht ohne Grund trägt Israel mit Stolz den Titel „Heiliges Land“. Auch pulsierende, moderne Städte, Museen und Badestrände zählen zu den Attraktionen. Dazu verzückt die Natur nicht nur Wanderfreunde: Im Norden zeigen sich in sanfter Rundung die Galiläaberge, etwas weiter südlich schimmert das Mittelmeer an der Küste auf zig Kilometern. Nur wenige Minuten von Jerusalem entfernt beginnt die Gegend karg zu werden. Entlang dem einzigartigen Toten Meer geht es durch die Negevwüste bis ans Rote Meer nach Eilat. Das alles findet sich auf einer Fläche, die gerade einmal so groß – oder besser so klein – ist wie New Jersey.

Von A nach B kommt man im Heiligen Land problemlos. Die Infrastruktur ist intakt. Einen Aufschwung erlebt der Fahrradtourismus, vor allem in der kühleren Jahreszeit. Die 44 000 Hotelzimmer allerdings sind etwas knapp bemessen, wie der Tourismusminister zugibt. Vor allem im Bereich der Budgethotels herrscht klarer Angebotsmangel. Das Ministerium will mit dem Bau von 3500 neuen Zimmern in den kommenden Monaten Abhilfe schaffen. Dutzende neue Häuser sollen entstehen. Hostels und Campingplätze indes gibt es reichlich. Wer es rustikaler mag, der wird in Israel fündig werden: ob am Jordanfluss im Kibbutz Kfar Blum oder unterhalb der magischen Wüstenburg Massada mit Blick auf einen unendlichen Sternenhimmel.

„Verlockend“, finden immer mehr Menschen und setzen sich ins Flugzeug, „Nahostkonflikt hin oder her.“ Auch die Deutschen sind mit dabei: 145 000 kamen 2009, um Land und Leute kennenzulernen, und machen damit den fünften Platz der Besucherhitliste aus, die seit jeher von den US-Amerikanern angeführt wird. Ob Rucksacktourist aus Berlin, jüdische Familie aus New York oder christlicher Pilger aus Seoul: Die Reisenden lassen die Kassen klingeln. Im vergangenen Jahr waren es nach Angaben des Tourismusministeriums 2,6 Milliarden Euro. Addiert man die Einkünfte aus dem inländischen Tourismus, kommen 4,7 Milliarden zusammen. Das macht etwa 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, ein eher kleines Stück des wirtschaftlichen Kuchens, in dem noch Potenzial steckt. Gerade deshalb ist der Tourismus für das Land unverzichtbar. Fast 90 000 Israelis haben in der Branche einen Job gefunden, 30 000 von ihnen allein im Hotelgewerbe.

„Tourismus ist ein Beschleuniger für wirtschaftliches Wachstum, vor allem in der Peripherie“, weiß Noaz Bar-Nir, Generaldirektor des Ministeriums, „denn große Teile des Tourismus sind in der Negevwüste oder in Galiläa angesiedelt.“ Außerdem profitierten bestimmte soziale Gruppen, beispielsweise Drusen, Araber oder Beduinen, vom Tourismus, die sonst eher Schwierigkeiten hätten, Arbeit zu finden. Die einzigartigen Lebensumstände aber ziehen Besucher an, die diese Besonderheiten erleben möchten.

Minister Stas Misezhnikov hat Großes vor: 3,35 Millionen Touristen sollen es im kommenden Jahr sein, die es sich in Jerusalem, Tel Aviv und Haifa gut gehen lassen, für 2015 hat er sich eine fünf mit sechs Nullen auf die Fahnen geschrieben. Dabei helfen sollen die hierzulande milden Temperaturen in der vierten Jahreszeit. Sogar im Dezember kann man noch im aufgewärmten Mittelmeer planschen. „Der israelische Winter ist für Gäste aus vielen Ländern eine Attraktion. Wir arbeiten jetzt daran, dass diese Saison ein bedeutender Teil unseres Tourismusproduktes wird.“

Reisen in Israel zahlt sich nicht nur in barer Münze aus. Bar-Nir ist sicher, dass zufriedene Urlauber wie die Pöhlers helfen, das angeschlagene Image im Ausland zu reparieren. „Jeder Tourist ist ein potenzieller ,Goodwill-Botschafter‘ für unser Land. Wenn er nach Hause zurückkehrt, kann er Freunden und Nachbarn erzählen, dass Israel ein sicheres, attraktives und einzigartiges Urlaubsziel ist.“ Eckehardt Pöhler bestätigt das: „Der Nahostkonflikt ist einem nicht ständig auf den Fersen. Die Menschen leben und lachen hier auch. Schade, dass das in Deutschland oft anders rüberkommt.“

Sabine Brandes

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