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Nie gesattelt. Die Pferde der Namib kommen im kargen Umfeld allein zurecht. Nur Wasser liefert ihnen – ab und zu – der Mensch.

© p-a

Namibwüste: Die Freiheit trägt Mähne

Seit fast 100 Jahren leben Pferde in der Namib, der ältesten Wüste der Erde. Forscher kommen ihretwegen – und Touristen.

Am 27. März 1915 stieg Paul Fiedler, Fliegerleutnant der kaiserlichen Schutztruppe in Südwestafrika, mit seinem Roland-Doppeldecker auf. Es ging darum, das Wüstenlager der südafrikanischen Soldaten zu bombardieren. Fiedler hatte keine Ahnung, was er damit auslöste. Um das Heerlager bei Garub, an der Bahnstrecke zwischen Lüderitzbucht und Aus, weideten rund 1700 Kavalleriepferde der Südafrikaner. Als die Bomben detonierten, flüchteten die Pferde in wilder Panik in die Namibwüste. Einige kehrten wieder zurück, andere blieben im Ödland. Zu ihnen stießen später auch Pferde der deutschen Truppe sowie edle Zuchtpferde, die der Bürgermeister von Lüderitz, Emil Kreplin, nicht weit von dem Flecken Garub, aufgezogen hatte. Seit dieser Zeit leben in der Namib, der ältesten Wüste der Erde, Pferde – wild und frei.

Im Norden Namibias durchqueren Touristen das riesige Wildgebiet der Etoschapfanne auf der Suche nach den „Big Five“. Doch im Süden sind Elefanten, Löwen, Leoparden, Nashörner und Büffel nur selten beziehungsweise gar nicht anzutreffen. Nach Garub pilgern jedoch immer wieder Besucher, um das einzigartige Phänomen wild lebender Wüstenpferde zu bestaunen.

Schon wenn man sich auf der B 4 zwischen dem Flecken Aus und Lüderitz dem alten Bahnhof von Garub nähert, warnen Schilder: Pferde kreuzen! Eineinhalb Kilometer abseits des Asphaltbandes durch die Wüste befindet sich eine Pumpstation, die eine Tränke mit Wasser speist. Rund einhundert Meter davon entfernt gibt’s einen überdachten Unterstand, von dem aus die Pferde gut beobachtet werden können.

Doch nicht jeder neugierig-gespannte Besucher bekommt die Tiere auch zu Gesicht. Wir haben Glück. Die Sonne steht nicht mehr hoch am Himmel, die brütende Hitze hat nachgelassen. Mit dem Fernglas ist zu erkennen, dass sich mehrere kleine Pferdefamilien auf die Wasserstelle zu bewegen. Einige verhalten sich ruhig, andere verfallen in einen elegant-federnden Trab und manche streben der Tränke im gestreckten Galopp entgegen. Drei Strauße, die sich ebenfalls an der Tränke eingefunden haben, warten misstrauisch ab, schauen, was die Pferde wohl vorhaben. Während die einen nur ihren Durst stillen, steigen andere gleich ganz in den kreisrunden Pool, schlagen mit den Hufen aus, dass es nur so spritzt, um sich danach wohlig im warmen Wüstensand zu wälzen.

Es fällt auf, dass die Pferde farblich keine große Vielfalt aufweisen: Braune, Füchse und Rappen sind vertreten, keine Schimmel. Alle Tiere bewegen sich natürlich und ohne Scheu, die Menschen stören sie nicht. Piet Swiegert, Besitzer der nahen Vista-Lodge in Klein Aus, bestätigt diese Beobachtung: „Die Pferde sind zutraulicher geworden. Sie haben sich einfach an die Touristen gewöhnt.“ Das, so glaubt er, hänge auch mit ihrer guten körperlichen Verfassung zusammen. Sie fühlten sich stark. Während die 1990er Jahre im südlichen Namibia extrem trocken ausfielen, hat es in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich viel geregnet. Die Pferde finden genug Gras zum Fressen, das die weiten Wüstenflächen vor der Kulisse dunkel aufragender Bergzüge zart gelb-grün schimmern lässt.

Die Dürrejahre schlugen erbarmungslos zu

Das war nicht immer so. Während heute die neunte und zehnte Generation der Wüstenpferde ihre Freiheit genießt, hat es in den zurückliegenden knapp hundert Jahren immer wieder Zeiten gegeben, in denen ihre Existenz gefährdet war. Die erste freilebende Herde bestand, wie Zeitgenossen berichten, aus etwa 50 Pferden. Kenner sprechen in Namibia von einem „hervorragenden Genpool“, in dem sowohl Hackneys, Trakehner als auch Shagya-Araber vertreten sind. Immerhin hatte Bürgermeister Emil Kreplin in seinem Gestüt nicht nur Arbeitspferde gezüchtet, sondern auch schnelle Rennpferde, die in der kolonialen Hochzeit in Lüderitz zum Vergnügen der deutschen Südwester um die Wette galoppierten.

Die Wüstenpferde hatten lange keinen Kontakt mehr zu Menschen. Erst in den späten 1920er Jahren wurden sie überhaupt von der Öffentlichkeit im Südwesten Afrikas wahrgenommen. Von „deutschen Pferden“ oder „Garub- Pferden“ war die Rede. In dieser Zeit versuchten Farmer auch schon mal, Tiere einzufangen und als Reitpferde wieder zu domestizieren. Vergeblich. Das einzige Problem blieb über die Jahrzehnte hinweg die Versorgung mit Wasser. Pferde haben schließlich nicht die Fähigkeit, mit Wasser so gut haushalten zu können wie Kamele. Woher sollte also das überlebenswichtige Nass kommen? In den 20er und 30er Jahren benötigten die Lokomotiven der Eisenbahn noch Wasser. Das nutzten Arbeiter auch, um regelmäßig die Tränke neben der Bahnstation zu füllen. Natürlich reichte das nicht.

Das Weidegebiet gehörte anfangs zur Diamanten-Sperrzone, später zum Naturschutzgebiet des Namib Naukluft Parks. Und so nahm sich schließlich die Diamantengesellschaft des Wasserproblems an. 1991 wurde eine neue Tränke gebaut, die die Distanz zwischen den ergiebigen Weideflächen und der Bahnhofstränke verkürzte. Dennoch schlugen die folgenden Dürrejahre erbarmungslos zu. 1992 wurden mehr als 100 Pferde eingefangen und verkauft. Wenige Fohlen konnten überleben. 1998 wurden gar nur noch 89 Pferde gezählt. Heute sind Namibias Wüstenpferde auch eine touristische Attraktion. Sie leben weiterhin wild und frei, sind jedoch nicht sich selbst überlassen. An den Koichab Dünen, die von der Garub- Tränke 40 Kilometer entfernt sind, soll demnächst eine weitere Wasserstelle eingerichtet werden.

Die südafrikanische Zoologin Telane Greyling hat ihre Doktorarbeit über die Namib-Pferde verfasst. Und gemeinsam mit Manfred Goldbeck, dem Chef der Lodge-Kette Gondwana, hat sie ihnen mit einem kleinen Buch („Wilde Pferde in der Namib-Wüste“) eine Liebeserklärung gemacht. Es klingt ein wenig hochgestochen und übertrieben, wenn die Autoren behaupten, die Pferde der Namib „verkörpern die Seele Namibias“. Aber es ist nicht zu bestreiten, dass die Wüstenpferde – wie die übrige Tierwelt Namibias – „Sinnbild der Weite und Freiheit“ eines Landes mit einer überwiegend immer noch kaum berührten Natur sind.

Mehr Informationen sind erhältlich beim Fremdenverkehrsamt Namibia, Schillerstraße 42–44, 60313 Frankfurt am Main; Telefon: 069 / 133 73 60, im Internet zu finden unter: namibia-tourism.com

Sten Martenson

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