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Reise: Seitenweise Fernweh

Kleine Fluchten, große Trips: Reisebücher für den Gabentisch

— Weltreise. Mit Lonely Planet durch alle Länder der Erde. Mair Dumont, Ostfildern 2009, 448 Seiten, 49,95 Euro

— Südafrika. Polyglott APA Guide, Ausgabe 2009/2010, 340 Seiten, mit DVD (60 Minuten),

24,95 Euro

— Rainer Grotthuis: Wo das Land zu Ende ist – Am Meer: Unsere Sehnsucht nach Weite. Edel-Verlag, Hamburg, Oktober 2009, 144 Seiten,

34 Euro

NICHTS ALS DIE WELT

Vom Titel des Bandes sollte man sich nicht täuschen lassen. Der voluminöse Band (446 Seiten!) macht keine Vorschläge für ausgewogene Weltreisen. Die muss man sich immer noch selbst zusammenstellen. Ausgehend von der Frage „Wie viele Länder gibt es auf der Welt?“ stellt das beachtliche Buchprojekt auf jeweils zwei Seiten mehr als 200 Länder oder Regionen in Bild und Text vor. Von A wie Afghanistan bis Z wie Zimbabwe geht die Reise durch viele, auch unbekanntere Ziele. Das klare Konzept des Bandes basiert auf einem gelungenen Mix aus repräsentativen Farbfotos sowie Fakten zu den jeweiligen Ländern. Erwähnt sind auch die beste Reisezeit, Besonderheiten und Verhaltenstipps. Die Spalte „Nicht zu versäumen“ fasst manchmal Bekanntes, aber meist Unbekanntes knapp zusammen. „Lonely Planet“-Autoren aus allen Teilen der Welt haben an diesem Band gearbeitet und eine gute Grundlage geschaffen: für echte oder nur erträumte Weltreisen. Anna Gerstlacher

SÜDAFRIKA – AUCH OHNE FUSSBALL

Vorfreude muss man zelebrieren können. Und auch wenn die Gründe, die nach Südafrika locken, im kommenden WM-Jahr vor allem rund und eckig sein werden, kann es nicht schaden, sich beizeiten auf die spezifischen Schönheiten des Landes vorzubereiten, damit sich Sport mit Kultur und Genuss bei der Reise gut ergänzen können. Beim Südafrika-Buch aus der neuen Polyglott-APA-Serie, beginnt das Erlebnis schon beim Aufblättern, weil der schöne Leineneinband ganz in den landestypischen Farben gehalten ist.

Innen kann man sich in die Geschichte einlesen und einen Überblick über Aufstieg und Niedergang der Apartheid verschaffen. Eigene Kapitel widmen sich den Menschen und ihren Religionen, Wirtschaft und Politik, Kunst und Kultur und natürlich der grandiosen Natur. Wirklich schön sind die vielen Illustrationen, die zwar beim Reisen selbst das Gewicht erhöhen, aber bei der Vorablektüre die Lust auf den Trip vergrößern. Am Schluss gibt es einen Tagebuchteil mit Raum für Notizen – nützlich für eigene Impressionen und notwendige Ergänzungen. Bi

MYTHOS DER MITTE

Kreta ist die Insel der Mythen, Sagen und Geheimnisse, der sprichwörtlichen Gastfreundschaft und der legendenumwobenen Rebellen, der Lebenskünstler, Filmschauplätze und Ausgrabungsstätten. Und trotz der Touristenmassen, die Jahr für Jahr ins karstige Gebirgseiland einschneien: Es wird immer weiter am Mythos gestrickt. Da kommt ein Büchlein aus dem Unionsverlag gerade recht. In der Reihe „Kulturkompass fürs Handgepäck“ hat Ulrike Frank eine „Reise nach Kreta“ (224 Seiten, 10,90 Euro) zusammengestellt. Ein Lesebuch mit Kurzgeschichten und Ausschnitten aus Romanen, mit Reiseerzählungen und Erinnerungen. Bekannte und unbekannte Autoren kommen zu Wort. Erhart Kästner, der als deutscher Soldat auf Kreta stationiert war, schwärmte 1943 über „Die Insel der Gastfreundschaft“. Der französische Schriftsteller André Gide publizierte drei Jahre später eine fiktive Autobiografie des antiken Sagenhelden Theseus. Daraus sind im Lesebuch vier Seiten abgedruckt. Der US-amerikanische Schriftsteller Henry Miller schrieb ein berühmtes Griechenlandbuch, „Der Koloß von Maroussi“. Darin fühlte er sich auf Kreta den Sternen näher. Geborene Kreter Künstler wie Nikos Kazantzakis oder Mikis Theodorakis kommen ebenso zu Wort wie entdeckungsfreudige Journalisten.

Den Mittelpunkt Kretas, ach was, den Mittelpunkt der Welt hat sich einst der 1969 gestorbene Stratis Myrivilis, einer der großen griechischen Prosaautoren des 20. Jahrhunderts, zeigen lassen. Ein Einheimischer klärte ihn direkt vor Ort auf: „Das Herz der Welt ist Europa. Das Herz Europas ist Griechenland. Das Herz Griechenlands ist Kreta. Das Herz Kretas ist Sfakia. Das Herz von Sfakia ist Askyfou.“ Und Myrivilis fügte hinzu: „Also ist Askyfou das Herz der ganzen Welt.“ Hinreisen und nachsehen! Stefan Berkholz



SEHNSUCHT AM STRAND

Auch die Dichter hat es ans Meer gezogen, immer wieder, zu allen Jahreszeiten. „Es murmeln die Wogen ihr ew’ges Gemurmel, es wehet der Wind, es fliehen die Wolken, und ein Narr wartet auf Antwort“, schrieb etwa Heinrich Heine. Und Paul Morand bemerkte: „Das Meer hat kein Alter; es wirft Falten, um sie im nächsten Augenblick zu verlieren …“ Zu weisen Sätzen wie diesen gesellen sich die eindrucksvollen Fotos von Rainer Grotthuis. Keine bunten Bilder sind es, sondern stille Momentaufnahmen in Schwarz-Weiß. Menschen sind selten zu sehen, Meer und Strände wirken für sich. Hier ducken sich windzerzauste Kiefern, da steht Strandhafer in unberührtem Sand, dort spritzt die Gischt an Felsen oder die Sonne schickt – kurz vorm Untergehen – ihr gleißendes Licht übers glatte Wasser. Man ahnt nur, wo die Fotos entstanden sind.

Das spiegelnde Watt fand Grotthuis vielleicht vor Wangerooge, die Palmen an der Promenade womöglich in Alicante, das Strandcafé mit der verwaisten Terrasse und der Werbung für „Petits déjeuners“ vermutlich im französischen Deauville. Wer in diesem Buch blättert, wird immer wieder innehalten, ins Träumen geraten, sich erinnern an bewegende Momente am Strand. „Wir sitzen bei diesem Schauspiel ja auf sicherem Terrain, genießen die Oberfläche als Oberfläche und hören den Basso Continuo der Schönheit beiläufig als Brandung“, schreibt Matthias Politycki in seinem schönen, sehr persönlich gehaltenen Vorwort. Unendlich kostbar ist das Meer. Dieses Buch verneigt sich vor ihm.Hella Kaiser

Anna Gerstlacher

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