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Zum fröhlichen Aufspielen am Markt. In Rudolstadt findet alljährlich Anfang Juli ein Festival für Weltmusik statt. 20 Bühnen sind dann im Städtchen aufgebaut.

© Martin Schutt, pa

Thüringen: Schillers Herzklopfen

Im thüringischen Rudolstadt verliebte sich der Dichter in zwei Schwestern. Die Geschichte kommt im Sommer in die Kinos.

Wer als Schüler das lange „Lied von der Glocke“ auswendig lernen musste, wird das dem Dichter wohl nie ganz verzeihen. Friedrich Schiller fand die Anregung für sein Marathongedicht in der Glockengießerei Meyer vor den Toren von Rudolstadt. Wo die Saale die Schluchten des Thüringer Waldes verlässt, präsentiert sich Rudolstadt heute so schillernd, dass sich Glocke-Geschädigte rasch mit dem Dichter aussöhnen. „Schillers heimliche Geliebte“ – so kokettiert die Stadt in der Tourismuswerbung. Lange sei die Vielfalt der Region gepriesen worden, erzählt Sabine Christophersen, die Leiterin der Touristinformation. „Aber dann erklärte uns ein Marketingexperte: Was für Salzburg Mozart sei, müsste für Rudolstadt Schiller sein.“

Aber steht dieser Schiller denn nicht unverrückbar in Weimar neben Goethe auf dem Sockel? Das ist natürlich richtig. Aber ein Klein-Weimar ist Rudolstadt allemal. Immerhin verbrachte Schiller hier den schönsten Sommer seines Lebens. In Rudolstadt lernte er seine künftige Ehefrau kennen – und traf am Ort 1788 erstmals mit Goethe zusammen. Der beachtete den erwartungsvollen Schiller allerdings nicht. Es waren zu viele Damen anwesend, um die sich der Charmeur Goethe lieber kümmern wollte. Wie das Treffen ungefähr verlief, kann man im Schiller-Haus, von Schauspielern nachgestellt, auf Monitoren verfolgen.

Im heutigen Schiller-Haus wohnte damals die Witwe Louise von Lengefeld mit ihren Töchtern Caroline und Charlotte. Schiller kam erstmals 1787 nach Rudolstadt und blieb 1788 den ganzen Sommer. Monate vollerHerzklopfen. Er wohnte im Dorf Volkstedt beim Kantor Unbehaun, war aber Dauergast bei den Lengefelds, in deren Salon sich Größen wie die Brüder Humboldt, Herder oder Fichte und auch Goethes Muse Charlotte von Stein trafen. Schiller war rasch verliebt in beide Schwestern. Allerdings war die extrovertierte Caroline, zu der es ihn wohl anfangs mehr hinzog, bereits mit Ludwig von Beulwitz verheiratet. Schiller heiratete schließlich 1790 die eher schüchterne Charlotte.

Schloss Heidecksburg war der ideale Drehort

Wer mehr wissen will, geht auf Stadtführung mit dem Liebesbriefboten, der „schillernde Geheimnisse“ verrät. Und auch Schillers Schwiegermutter plaudert auf einem Rundgang aus dem Nähkästchen. Auf sie ließ der Dichter übrigens nichts kommen. Er schätzte, was sie am Herd zaubern konnte. Ihr Kochbuch ist im SchillerHaus ausgestellt. Markante Schiller-Sprüche findet der Suchende beim Altstadtbummel an Hausfassaden. „Wage du zu irren und zu träumen!“, ist zum Beispiel im Handwerkerhof zu lesen. Das ist einer der Schauplätze für das Tanz- und Folkfestival mit rund 1100 Künstlern auf 25 Bühnen.

Schiller-Büste. In Rudolstadt lernte der Dichter seine künftige Ehefrau kennen.
Schiller-Büste. In Rudolstadt lernte der Dichter seine künftige Ehefrau kennen.

© Klaus Thiele

Noch stärker schillern wird Rudolstadt sicher, wenn in diesem Sommer der Film „Die geliebten Schwestern“ mit Hannah Herzsprung, Henriette Conturius und Florian Stetter in die Kinos kommt. In dem Streifen geht es genau um jenes Verhältnis zwischen dem Dichter und den Lengefeld-Töchtern. Regisseur Dominik Graf fand einen idealen Drehort im über der Stadt thronenden Schloss Heidecksburg.

Dieses wohl prunkvollste Barockschloss Thüringens mit grandiosem Rokokosaal war bis 1918 die Residenz der Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt, einem der ältesten deutschen Adelsgeschlechter. Schiller wurde 1788 in Begleitung von Caroline und Charlotte von Fürst Ludwig Friedrich II. persönlich durch das „weiße große Schloss auf dem Berge“ geführt. Dem Filmteam konnte Schlossdirektor Lutz Unbehaun jetzt für eine Szene Erstdrucke der von Schiller herausgegebenen Zeitschrift „Horen“ zur Verfügung stellen. Er veröffentlichte darin anonym einen von Caroline geschriebenen Roman.

Wer heute in Filzpantoffeln durch die prunkvollen Räume mit den Kunstsammlungen schlurft, erfährt auf einer Führung durch einen Pagen, einen Hofmarschall oder eine Kammerzofe so manches über „Lust und Frust am Fürstenhof“. Ganz nebenbei lassen sich natürlich architektonisch und kulturhistorisch wertvolle Kostbarkeiten bestaunen.

Die Nazis hinterließen eine Ruine

„Die Gegend um Rudolstadt ist außerordentlich schön“, schrieb Schiller 1787 an Gottfried Körner. Das kann man leicht nachempfinden – natürlich auf dem Schiller-Wanderweg und beim Blick von der Schillershöhe. Wer durch das dunkle Schwarzatal fährt, kommt zum einstigen Jagd- und Sommerschloss der Rudolstädter Fürsten. Die Nazis wollten daraus ein „Reichsgästehaus“ machen und hinterließen eine Ruine. Gerettet aber wurde der Kaisersaal, ein Meisterwerk barocker Baukunst.

Eine beeindruckende Ruine liegt hinter Bad Blankenburg, wo das Fröbel-Museum an den Erfinder des Kindergartens erinnert: die romanische Klosterkirche von Paulinzella. Schloss Kochberg mit dem klassizistischen Liebhabertheater gehört zum Pflichtprogramm. Goethe besuchte dort häufig seine Charlotte von Stein. In der kleinen Goethe-Gedenkstätte steht ein Schreibtisch, den Goethe ihr schenkte. Aber auch Schiller war häufiger dort. Schließlich war Charlotte von Stein die Patentante seiner Frau, die oft auf Kochberg zu Besuch war. Dort wurde von den Frauen auch das etwas missglückte Treffen zwischen den beiden Dichtern in Rudolstadt eingefädelt. Vermutlich haben die Damen dabei an Tässchen aus Thüringer Porzellan genippt.

Das weiße Gold wurde entlang der heutigen „Thüringer Porzellanstraße“ in mehreren Manufakturen hergestellt, nachdem Georg Heinrich Machereid 1760 die schon Jahrzehnte früher in Meißen entdeckte Rezeptur für das Porzellan „nacherfunden“ hatte. In Sitzendorf im Schwarzatal oder in Rudolstadt-Volkstedt wird noch heute produziert. Und wer von Schiller nicht genug bekommen kann, sollte ihn als Porzellanbüste mit nach Hause nehmen.

Klaus Thiele

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