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Ventspils

© Stefan Jacobs

Ventspils, km 740: Achtung, frisch gestrichen!

Ventspils ist laut Eigenwerbung so sauber wie keine andere in Lettland, die Straßen so glatt wie nirgends sonst, und jeder Quadratmeter nachts beleuchtet. Geld für die Verschönerungen gibt es dank einer Ölleitung bis in den Hafen reichlich.

Die Stadt laut Eigenwerbung so sauber wie keine andere in Lettland, die Straßen so glatt wie nirgends sonst, und jeder Quadratmeter nachts beleuchtet. Im Zentrum Alleen und Parks mit Blumenbeeten und beinahe englischem Rasen, alles tiptop, kein Mülleimer quillt über, auf Bänken sitzen Bürger und plaudern, Brünnlein hängen kleine Regenbögen über die Spazierwege. Ventspils mit seinen 43.000 Einwohnern ist ein schöner Ort. Das war früher anders, wie in makellosem Deutsch die Frau in der Touristeninformation erklärt.

Zu Sowjetzeiten war das Küstenstädtchen Grenzgebiet, verkommen und halb verlassen, nicht jede durfte hin, aber jeder wollte weg. "Nach der Unabhängigkeit", sagt die Tourismusfrau, "hatte unser Bürgermeister die Idee, dass Ventspils die schönste und sauberste lettische Stadt werden soll." Und so geschah es. Zwar stehen zwischen den vielen bunt angemalten Holzhäusern immer noch einige jener immergleichen vierstöckigen Sowjetblocks aus unverputzten Gasbetonsteinen, aber sie prägen nicht mehr das Bild. Nur noch Relikte sind sie.

Geld für die Verschönerungen ist dank einer Ölleitung bis in den Hafen reichlich da - zumindest, solange die Schröder-Putin-Pipeline nicht existiert. Eine tüchtige Abteilung im Rathaus organisiert zum eigenen Geld Zuschüsse aus Brüssel, baute eine Bibliothek, ein Handwerkerzentrum und eine Internetzentrale mit preiswerten Unterrichtsangeboten. 92 Millionen Euro von EU und Norwegen wurden und werden ausgegeben, weitere 171 Millionen sind schon verplant. Die Burg ist restauriert, Steinmetzwettbewerbe hinterlassen originelle Skulpturen, und der gesammelte Schutt der Bautätigkeit reicht für einen aktuell 40 Meter hohen Berg mit Skipiste.

Die Tourismusfrau kommt noch mal auf den Bürgermeister zurück: "Er achtet auf alles, sieht viel." Dann unterbricht sie sich: "Na ja, zurzeit sitzt er in Untersuchungshaft. Korruptionsvorwürfe, das Übliche, nichts bewiesen." Alles halb so schlimm, der Stellvertreter sei auch sehr erfahren. Stefan Jacobs

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