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Reise: Zum Schwarzbier zehn Kilometer

Von Greiz bis Leipzig verläuft ein Radweg entlang der Elster. Durch blühende Wiesen führt er auch zu mittelalterlichen Orten

Sie windet, krümmt und ringelt sich durch eine saftig-grüne Graslandschaft, biegt sich um schlanke, hohe Bäume und moosbewachsene Steine. Vor wenigen Metern erst hat sich die Elster in mehreren Rinnsalen durch das Erdreich gedrückt und zu einem Bächlein formiert. Zwischen dem deutschen Bad Brambach und dem tschechischen Asch, hübsch von einem Steinportal eingefasst, liegt die Elsterquelle, genauer: die Quelle der Weißen Elster. Hier nimmt auch der Elsterradweg seinen Anfang. Noch ganz jung und zart umspült die Elster helle Birken, die vor dunklen Tannen stehen, und schlängelt sich durch wiegendes Moorgras – auch der Radweg ist hier noch ein schmaler Pfad, der dem Bachlauf durch den Wald folgt.

Für die Waden ist das erste Stück des Radwegs durchaus eine Herausforderung, denn durch das mittelgebirgige Vogtland geht es mächtig auf und ab: Ein Traum, wenn man die Berge hinuntersausen kann, schweißtreibend, wenn’s anschließend wieder hinaufgeht. Bis Plauen sind es ungefähr 60 Kilometer – auch für trainierte Radler unter diesen Umständen ein ordentliches Stück! Nicht ganz einfach ist es auch, aus Plauen wieder herauszufinden und den Weg entlang der Elster zu suchen.

Erst beim Städtchen Greiz lassen ausreichende Wegweiser und eine gut ausgebaute Strecke die Tour zu einem wirklichen Genuss werden. Das gilt auch für das wunderschöne Greiz selbst, das mit zwei Schlössern – dem Oberen aus dem 17. Jahrhundert, und dem klassizistisch erneuerten Unteren – sowie Straßen voll schmucker, stolzer Jugendstilhäuser Erstaunliches zu bieten hat.

Eine Tasse Kaffee im „Café im Küchenhaus“, direkt neben dem frühklassizistischen Sommerpalais mitten im Landschaftspark, macht munter für die nächsten sechs steil ansteigenden Kilometer über Waltersdorf und Obergeißendorf und die anschließende schnelle Schussfahrt nach Berga. Gemütlich geht es die letzten Radelkilometer bis nach Gera, wo das ideal am Ortseingang (Nähe Heinrichsbrücke) gelegene Hotel an der Elster Rast bietet.

Vom mittelalterlichen Gera-Untermhaus auf der anderen Elsterseite – mit Otto-Dix-Haus, barocker Orangerie und Marienkirche – geht es am nächsten Morgen weiter. Die Strecke, immer an der Weißen Elster entlang, ist wunderbar zu fahren und – ganz wichtig! – gut ausgeschildert. Schon nach zehn Kilometern kommen wir nach Bad Köstritz, wo das herzhafte, für Pils-Trinker etwas gewöhnungsbedürftige Schwarzbier gebraut wird.

Hinter Crossen geht es steil den Berg hinauf, durch blühende Wiesen, gesäumt von Apfel- und Birnbaumalleen. Auf der Kuppe verschnaufen wir und genießen den weiten Blick über die hügelige Landschaft, die sich weit unter uns erstreckt. Eine Verschnaufpause reicht nicht, um diesen zu genießen: Wir breiten Decken im Gras aus, picknicken – und schwelgen.

Schnell geht es anschließend abwärts, durch kleine Dörfer noch zehn Kilometer nach Zeitz. Das bergige Städtchen stellte mit seinen großen Höhenunterschieden selbst die Einheimischen vor Probleme, und so wurde 1877 eine Drahtseilbahn erbaut. 2004 fand in Zeitz die erste Landesgartenschau Sachsen-Anhalts statt. Seitdem gibt sich die Stadt farbenfroh und lebendig mit herrlichen Parkanlagen rund um das Schloss Moritzburg. In der Moritzburg lockt eine Kinderwagenausstellung ebenso wie ein Besuch des „Unterirdischen Zeitz“, mittelalterlicher Gänge und Keller, in denen früher das Bier gelagert wurde und die während des Zweiten Weltkriegs als Luftschutzbunker diente. Berühmt ist Zeitz aber auch für den mittelalterlichen romanischen Dom.

Der Tag neigt sich dem Ende, und die stille Landschaft, durch die wir fahren, erinnert an die Stiche alter Meister: ruhig grasende Kühe in saftig grünen Wiesen, steil aufragende Weiden, die die Wege säumen, dazwischen backsteinerne Häuser und spitze Kirchtürme – und eine beeindruckende Stille.

Wir übernachten in Pegau, einem historischen Örtchen, das nach Plänen der DDR-Regierung 1990 verschwinden sollte – dem Braunkohlentageabbau zuliebe. Glücklicherweise kam die Wende dazwischen. Es wäre schade gewesen um Pegau. Der Ort hat mittelalterliche Strukturen. Hieronymus Lotter, der Erbauer des eindrucksvollen Leipziger Rathauses, übte in Pegau: Hier entstand Mitte des 16. Jahrhunderts sein erster Entwurf des Renaissance-Rathauses, das er in Leipzig im großen Stil umsetzte. Die Pfarrkirche St. Laurentius enthält eines der bedeutendsten Grabmale der Romanik, und sowohl Napoleon wie auch Zar Alexander übernachteten im Ort.

Klar, dass es in der Pizzeria, die zugleich auch Eisdiele und Pension ist, die „Pizza Napoleon“ und die „Pizza Alexander“ gibt; neben der „Pizza à la DDR“ mit Jagdwurst, Tomatensoße und Käse. Frank Heinold, Besitzer der Pizzeria und Mitglied im Stadtrat ist Pegaus bester Botschafter: Mit Liebe und Enthusiasmus erzählt er von seinem Dorf, engagiert sich dafür, dass Plaketten angebracht werden, die an Pegaus bewegte Vergangenheiten erinnern.

Bis Leipzig ist der Weg entlang der hier größtenteils begradigten Elster leicht zu finden, meist ist der Pfad asphaltiert, flach und somit leicht zu fahren. Und er ist wunderschön: Wiesenschaumkraut zieht sich zartlilafarben die breiten Auen und Dammseiten hinauf, zwischen den schlanken lichten Ahornbäumen nesteln Tuffkissen aus weißen Blüten. Auch durch Leipzig geht es komplett im Grünen: Dem Wegweiser Clara-Zetkin-Park folgen wir in die Leipziger Altstadt und schließlich zum imposanten Bahnhof.

Hier steigen wir in den Zug – angefüllt von Erinnerungen an eine abwechslungsreiche Fahrt immer an einem, sich vielfältig verändernden Fluss entlang.

Corinne Ullrich

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