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Panorama: Schockierende Gewissheit

Der 14-jährige Felix von Quistorp aus Potsdam ist tot. Die Stadt zeigt sich tief erschüttert

Alle Hoffnungen erstarben gestern gegen 9 Uhr 30: Aus einem alten Brunnen auf dem Areal des großväterlichen Schlosses Weihenstephan-Hohenthann in Niederbayern bargen Polizeitaucher am Morgen den Leichnam des 14-jährigen Potsdamers Felix von Quistorp. Bis zuletzt schloss die Polizei nicht aus, dass der Schüler des Evangelischen Gymnasiums Hermannswerder auch ausgerissen sein könnte – doch an die Stelle der von Tag zu Tag schwindenden Zuversicht trat gestern Morgen die Gewissheit: Felix ist tot.

Die Nachricht löste bei Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), bei Mitschülern und Lehrern von Felix oder auch im Polizeipräsidium eine kaum beschreibbare Fassungslosigkeit aus. „Die schreckliche Nachricht hat mich sehr getroffen“, sagte Jakobs. „Gemeinsam mit der Familie und mit den Potsdamerinnen und Potsdamern habe ich tagelang gebangt und auf ein glückliches Ende gehofft.“ Der Oberbürgermeister sprach der Familie von Quistorp „mein von ganzen Herzen kommendes Beileid zu diesem furchtbaren Verlust“ aus. „Ich weiß mich darin eins mit den Bürgern dieser Stadt“, sagte das Potsdamer Stadtoberhaupt.

Der Junge hatte am Donnerstagnachmittag vergangener Woche das 150 Jahre alte Schloss seines Großvaters Erasmus von Fürstenberg verlassen – und blieb spurlos verschwunden. Wie die Obduktion gestern ergab, wurde er nicht Opfer eines Verbrechens. Der 14-Jährige sei nach einem Sturz in den Brunnen ertrunken, das habe die Obduktion des Leichnams eindeutig ergeben, sagte ein Polizeisprecher am Mittwochabend. Für ein Verschulden Dritter gebe es keinerlei Hinweise. Zwar seien an der Leiche Schürfwunden entdeckt worden, die stammten aber vermutlich von dem Sturz in den Brunnenschacht.

Santners Ansicht nach hat die bayerische Polizei alles Mögliche getan, um den Schüler nach seinem Verschwinden zu finden. So sei die Rettungshundestaffel „Bayerwald“ mit 30 speziell ausgebildeten Suchhunden eingesetzt worden.

Der Potsdamer Junge, der mit seiner Mutter und den Geschwistern die Weihnachtsfeiertage in Bayern verbrachte, sei gegen 19 Uhr vermisst gemeldet worden. „Wir waren davon ausgegangen, dass er das Schloss verlassen hatte“, so Polizeisprecher Santner weiter. „Er muss also später zurückgekommen sein.“ Polizeihundertschaften durchkämmten zunächst die Umgebung. Dennoch seien auch alle Räumlichkeiten des Schlosses untersucht worden.

Der neben einem Schwimmbad liegende alte Brunnen war bereits kurz nach dem Verschwinden des Jungen am Donnerstag vergangener Woche zwei Mal von der Polizei abgesucht worden – ohne Erfolg. Die Einsatzkräfte hatten Lampen in den Schacht gehängt, konnten aber einem Sprecher zufolge in dem trüben Wasser trotzdem nichts erkennen. Nach der Suchaktion wurde der Brunnen mit Brettern abgedeckt.

Am Mittwochmorgen stiegen schließlich Taucher in den Schacht und entdeckten den toten Felix. Santner zufolge ist der Schacht 15 Meter tief, der Wasserstand betrage sechs Meter. Der Leichnam des 14-Jährigen wurde gegen Mittag in einem Sarg abtransportiert. Die Polizei sperrte das Schlossgelände weiträumig ab, die Sonderkommission „Felix“ sicherte stundenlang Spuren.

Die Familie des Jungen wird seit der Todesnachricht psychologisch betreut. Felix’ Mutter ist seit rund einem Jahr von dem Vater des Jungen, Karl-Alexander von Quistorp, geschieden. Der Vater war am Sonntag angereist, um mit weiteren Familienmitgliedern die Suche nach Felix zu unterstützen.

„Wir sind sehr, sehr traurig“, sagte die Klassenlehrerin von Felix. „Ich muss das jetzt erst mal verarbeiten – wenn das überhaupt geht.“ Mit großer Erschütterung nahm eine Elternvertreterin der 8. Klasse die Nachricht auf: „Ich bin so geschockt, ich kann kaum sprechen. Ich denke nur an die Mutter und die übrige Familie von Felix.“ Gestern Nachmittag trafen sich Mitschüler, „um gemeinsam Worte der Trauer zu finden und zu beten“, sagte Frank Hohn, der Vorstandsvorsitzende des Schulträgers, der Hoffbauer-Stiftung. Zum Schulanfang nach den Weihnachtsferien am kommenden Montag soll im Gottesdienst an den Jungen erinnert werden.

Bis zum ersten Schultag aber will man auf Hermannswerder nicht warten. Jetzt bräuchten die Mitschülerinnen und die Mitschüler den Raum für ihre Trauer, für ihre Ängste, ihre Betroffenheit, sagte Hohn. Darum habe man sich gestern nach Bekanntwerden des Todes von Felix sofort mit den Lehrern darüber verständigt, einen entsprechenden Treffpunkt einzurichten, erklärte Hohn.

Es sei im Sinne des kirchlichen Trägers ein sakraler Ort, der „zur Wahrung der Intimität“ per Telefonkette von Schüler zu Schüler bekannt gegeben werde. Aus dem gleichen Grund sei der erste Schulgottesdienst im neuen Jahr am Montagmorgen auch für „nicht öffentlich“ erklärt worden, sagte der Geschäftsführer. Der Situation geschuldet werde man den Gottesdienst im Gedenken an Felix begehen. Im Anschluss würden Vertreter der Hoffbauer-Stiftung, aus dem Lehrerkollegium und der Schülerschaft eine gemeinsame Erklärung abgeben. Danach würde es gemäß der „unterschiedlichen Grade von Betroffenheit“ langsam in den Schulalltag übergehen, sagte Hohn.

Auch in Weihenstephan ist die Bestürzung groß. Zwar kannten die wenigsten den Jungen persönlich, doch der Großvater ist den Angaben zufolge bei den Dorfbewohnern sehr beliebt. „Der Graf ist ein ganz guter Mensch. Er ist immer hilfsbereit und freundlich“, sagt Wirtin Italia Buonjiorno. mit dpa und ddp

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