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Panorama: Schön gesund bleiben

Experten warnen vor der „Fett-weg-Spritze“ – als Medikament ist sie nicht zugelassen. Sie bringt Fettpolster zum Schmelzen

Von Adelheid MüllerLissner Werden Sie schöner – bleiben Sie schlank! Mit diesem Versprechen wird derzeit vor allem im Fernsehen und im Internet für eine Methode geworben, die offenbar schon Tausende Frauen ausprobiert haben und vor der Experten warnen: Injektions-Lipolyse ist die Bezeichnung für ein Verfahren, das die brasilianische Ärztin Patricia Rittes 1995 kreiert hat. Dafür wird ein Wirkstoff mit dem Namen Phosphatidylcholin in das Fettgewebe gespritzt. Der aus zum Teil veresterten Fettsäuren bestehende Wirkstoff, enthalten in dem Medikament Lipostabil, bringt Fettgewebe zum „Schmelzen“.

Ist die „Fett-weg-Spritze“ also eine einfache Möglichkeit, schnell ein paar ebenso hartnäckige wie unerwünschte Pölsterchen gezielt aufzulösen? Tatsächlich macht das Verfahren auf den ersten Blick einen relativ „sanften“ Eindruck: Eine Narkose ist nicht nötig, ein Messer wird nicht angesetzt, es fließt kein Blut. Das Fett wird in einer chemischen Reaktion zersetzt. Allerdings löst es sich damit nicht einfach in Luft auf. Während der Körper die Reserven aus den Fettzellen schlicht verbrennt, wenn wir weniger Kalorien zu uns nehmen, als wir verbrauchen, entsteht bei der Spritzen-Behandlung Abfall: Und der muss abtransportiert, verarbeitet und ausgeschieden werden. Der Mediziner Albert Hofmann von der Uni Ulm, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie e.V., warnt: „Bei großen Mengen kann der Körper das nicht in ausreichendem Maß tun.“ Schlimme Entzündungen und die Bildung von Zysten könnten die Folge sein. „In diesen Fällen wird dann eine Operation nötig, die das Ausmaß einer Fettabsaugung weit übersteigt.“

Nicht ganz unwichtig ist auch, dass die Fettauflösung per Spritze schwer exakt zu steuern ist. Auch bei viel Erfahrung ist schwer vorherzusagen, wie das Körperfett reagieren wird. Das ist nicht nur von Person zu Person, sondern sogar von Körperteil zu Körperteil verschieden, wie der Plastische Chirurg Hofmann betont. Er warnt: Weil die Behandlung schwer exakt zu kalkulieren ist, könnten hässliche Dellen, Löcher und Knoten entstehen. Den einschlägigen Fachgesellschaften sei es doch nur ein Dorn im Auge, dass die Injektions-Lipolyse auch von Medizinern angewandt wird, die sich nicht auf ästhetische Chirurgie spezialisiert haben, kommentiert der Allgemeinmediziner Gunther Steitz aus Nienburg an der Weser. Er ist Mitglied im „Netzwerk Lipolyse“, das auf die Kritik der Fachgesellschaften mit einer einstweiligen Verfügung reagierte. Er hat die Methode in Brasilien erlernt, macht im gesamten Bundesgebiet Schulungen und verweist auf Erfahrungen mit 3000 Behandlungen. Und auf einen großen Bedarf: Seit eine ZDF-Sendung – durchaus kritisch – berichtete, sei der Andrang auf die „Fett-weg-Spritze“ enorm gestiegen. Er nennt zahlreiche Anwendungsbereiche: Bauch, Hüften, die „Reiterhosen“ am weiblichen Oberschenkel, eine zu „weibliche“ männliche Brust, Tränensäcke und Doppelkinn. Steitz warnt aber vor Selbstbehandlungen mit der Spritze. „Schlimme Asymmetrien und Einstiche in schlaffes Muskel- oder Bindegewebe können die Folge sein.“ Dass Phosphatidylcholine überhaupt Fettpolster auflösen können, wurde wahrscheinlich eher per Zufall herausgefunden. Eigentlich sind die Lecithin-Präparate seit Jahrzehnten bei Patienten mit zu hohen Blutfettwerten im Einsatz, als Kapseln gegen erhöhte Cholesterinwerte, als Injektionen in die Vene zur Vorbeugung und Behandlung von Fettembolien. Es heißt, dass zuerst eine versehentlich ins Unterhautfett statt in die Vene platzierte Spritze die „Fett-weg“-Wirkung zeigte. Das Prinzip selbst fasziniert auch den Plastischen Chirurgen Hofmann: „Eine Kombination mit der Fettabsaugung wäre genial. Wenn nach der Absaugung eine Nachkorrektur nötig ist, kann sie vielleicht eines Tages mit der Spritze erfolgen.“ Noch aber ist ihm das Abschmelz-Verfahren „entschieden zu heiß“. Es gibt aber keine klinischen Studien, die die Unbedenklichkeit und kurz- wie langfristige Wirksamkeit des Mittels belegen könnten. Hofmann mahnt mit Verweis auf die inzwischen vom Markt genommenen Brustimplantate mit Sojaöl, das im Körper chemische Reaktionen hervorrief, zur Vorsicht. Man könne nicht ausschließen, dass mit Lipostabil ähnliche Probleme auftreten. „Und wenn wir ein Medikament bei Gesunden einsetzen, müssen wir besonders strenge Maßstäbe anlegen.“ Lipostabil ist in Deutschland zur Behandlung unerwünschter Fettpolster nicht zugelassen. Der Kunde muss eine spezielle Einverständniserklärung unterschreiben.

An der Uni Wien hat der als „Anti-Aging“-Mediziner bekannt gewordene Gynäkologe Johannes Huber im Februar mit einer Studie zur Injektions-Lipolyse begonnen, an der insgesamt 50 Personen teilnehmen sollen. Mit einem Spezialgerät soll dort gemessen werden, wie das Verhältnis zwischen Fett- und Muskelmasse sich nach dem Einsatz der Lipostabil-Spritze verändert. Über die Langzeit-Wirkung wird auch diese Studie keine Auskunft geben. Schon heute ist aber klar, dass die Injektions-Lipolyse nie ein Wundermittel gegen Übergewicht werden wird: Gegen größere Fettpolster helfen weiterhin nur die altbekannten Tipps: Bewegung und ausgewogene, kalorienreduzierte Ernährung.

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