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Schüler in Ost und West: Wenig Ahnung von der DDR

Machtausübung, Unterdrückung? Wenn es um die DDR-Vergangenheit geht, stehen viele Schüler ahnungslos da. Ein groß angelegter Vergleich zeigt, dass zum Beispiel die Hälfte der ostdeutschen Schüler die DDR nicht als Diktatur sieht. Das liegt vor allem an einem unzulänglichen Lehrplan, sagen Experten.

Da kann selbst Bundespräsident Horst Köhler (CDU) vor einer Verklärung der DDR warnen - die Sicht der heutigen Schüler auf die 1990 untergegangene Republik bleibt schwammig. "Vor allem im Osten herrscht ein verklärtes Bild. Nur in Bayern wissen die Schüler einigermaßen gut Bescheid", sagt Klaus Schroeder. Der Professor vom Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin (FU) ließ für die flächendeckende Studie "Soziales Paradies oder Stasi-Staat?" 5219 Jugendliche befragen. Die Expertise wurde am Freitag in Berlin präsentiert.

Schroeder zufolge ist vielen der Schüler vor allem die Trennlinie zwischen Demokratie und Diktatur unbekannt. Die Ostschüler wüssten mehrheitlich nicht, dass es in der DDR keine freien Wahlen gab. "Nur in Bayern wird die DDR klar als Diktatur bewertet", lautet sein Fazit. "Selbst in Nordrhein-Westfalen gibt es dazu keine klare Bewertung." Noch fataler scheint ihm, dass der "Arbeiter- und Bauernstaat" in bayrischen und nordrhein-westfälischen Lehrplänen ausführlicher auftaucht als in Berlin und Brandenburg. Ob in Ost oder West, Schulmaterialien würden oft nur kopiert in Auszügen verwendet.

"Wer am wenigsten weiß, sieht die DDR am positivsten"

Schroeder und seine Mitautorin Monika Deutz-Schroeder haben in den vier Bundesländern Gymnasiasten und Gesamtschüler nach ihrem Bild zur DDR und das geteilte Deutschland gefragt. Zusätzlich wurden mit Hunderten Schülern Einzel- und Gruppengespräche geführt. In Bayern kamen auch Real- und Hauptschüler zum Zuge. Die Schüler Berlins wurde in Ost und den West unterschieden. Kritik an bislang veröffentlichten Einzelstudien zum Thema begegnete das Autorenteam nach eigenen Angaben mit erweiterten Auswertungen.

Eine zentrale Erkenntnis lautet: "Wer am wenigsten weiß, sieht die DDR am positivsten". Wissen wiederum schlage sich messbar in Erkenntnis und kritischerer Bewertung nieder. Allerdings werde das DDR-Bild im Osten weiterhin in der Familie geprägt. Das positivste Bild vom ihnen unbekannten Staat hätten deutschstämmige Schüler aus Familien der ehemaligen Sowjetunion oder aus Rumänien. Platz zwei belegen Ost-Berliner Schüler. Das stärkste Negativ-Bild haben katholische westdeutsche Schüler.

Zu viel DDR-Alltag

Der Studie nach ist die Verklärung der DDR Folge einseitiger Behandlung der Themen. "Man schaut fast ausschließlich auf den Alltag, der Herrschaftscharakter wird in den Hintergrund gestellt", sagt Schroeder. So werteten die Schüler das "Recht auf Arbeit" als Errungenschaft, wüssten aber nichts von gesetzlich verankerten Zwangsmaßnahmen für "Arbeitsscheue". Auch das DDR-Sozialsystem gelte als vorbildlich. Dabei seien den Schülern nur die positiven Seiten bekannt.

Wo es um Macht und Unterdrückung ginge, versagten die meisten Lehrpläne. Gerade "in welchem Maße die SED Staat, Wirtschaft und Gesellschaft lenkte und kontrollierte und auf welcher politisch-ideologischen Grundlage sie als Staatspartei agierte" werde nirgends deutlich. Kaum verwunderlich seien darum Bilder wie die zur Umweltverschmutzung. 44,4 Prozent der Ost-Berliner und 41,8 Prozent der Brandenburger Schüler gaben an, die DDR sei sauberer gewesen als die alte Bundesrepublik. Nur gut 20 Prozent der Ost-Berliner und Brandenburger Schüler waren vom Gegenteil überzeugt. Allein die West-Berliner Schüler halten das frühere Westdeutschland für sauberer. Unsicher zeigen sich die Schüler aus NRW. Hier rangiert "BRD sauberer" mit 36,8 Prozent nur knapp vor "DDR war sauberer" mit 33,1 Prozent.

Ähnliches in Sachen Stasi. Auf die Aussage ohne Gegenprobe "Die Staatssicherheit war ein normaler Geheimdienst wie ihn jeder Staat hat" antworteten 45 Prozent der Ost-Schüler mit Nein, in Ostberlin gar nur 44,1 Prozent. Die Westberliner sagten zu 56,2 Prozent Nein, die Schüler in Nordrhein-Westfalen zu 57,1 Prozent und in Bayern 62,3 Prozent. (mhz/ddp) 

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