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Panorama: So’n Bart

Von Andreas Oswald Es gibt einige Dinge, die Männer den Frauen zumuten, im Sommer zumal. Der Geruch von Pumakäfig in Büros und U-Bahnen gehört dabei noch zu den erträglicheren Aspekten.

Von Andreas Oswald

Es gibt einige Dinge, die Männer den Frauen zumuten, im Sommer zumal. Der Geruch von Pumakäfig in Büros und U-Bahnen gehört dabei noch zu den erträglicheren Aspekten. Härter sind schon Männer in kurzen Hosen und dann noch mit Socken und Sandalen. Der neueste Trend aber ist ein glatter Scheidungsgrund: In diesem Sommer lassen sich immer mehr Männer Vollbärte wachsen. Es sind keine Verlierertypen, nein, es sind Männer, die an der Spitze des Mode-Fortschritts stehen. Frauen, die sich in den 70er Jahren verliebten, wissen vielleicht noch, wie sich das beim Küssen anfühlt. Einen kleinen Vorgeschmack gab es auch, als in den letzten beiden Jahren Schnurrbart und Oberlippenkinnbart wiederkamen. Aber was um Himmels Willen treibt die Männer jetzt an, sich Vollbärte wachsen zu lassen? Karl Marx hatte so einen, immerhin, auch der späte John Lennon, sonst gibt es als Vorbilder vor allem den frühen Rudolf Scharping, Fidel Castro - und nicht zuletzt Ayatollah Chomeini und Osama bin Laden .

Wie fing es an? Zeitungsredakteure trauten ihren Augen nicht, als im Mai aktuelle Bilder über den Bildschirm flimmerten, die einen verunzierten Brad Pitt mit einem zotteligen Vollbart zeigten. Er betrachtete vom Spielfeldrand aus das Basketballspiel der Los Angeles Lakers gegen die Sacramento Kings. Berichten zufolge erkannten die Spieler nicht, wer auf dem Ehrenplatz saß, und waren äußerst irritiert, dass da einer hockte, der aussah, als schlafe er unter einer Brücke. Dabei war es nur ein Werbegag, mit dem Brad Pitt für seinen neuen Film werben wollte, in dem er einen vollbärtigen Psychopathen spielt.

Aber ist das vielleicht ein Grund, dass tausende von Männern sich ebenfalls einen Bart wachsen lassen? In allen angesagteren Bars sieht man sie. Zu ihrer Ehrenrettung muss man sagen, dass die Bärte nicht so zottelig sind wie bei Brad Pitt. Eher wie bei dem afghanischen Ministerpräsidenten Hamid Karsai, dessen Bart immer sorgfältig gepflegt und geschnitten ist.

Der erfolgreichste Modedesigner der letzten Jahre, Tom Ford, erklärte Karsai Anfang des Jahres zum bestaussehenden Mann der Erde. Ford, der für Gucci verantwortlich zeichnet, ließ seinen Worten Taten folgen. In nahezu allen Gucci-Anzeigenmotiven tragen Männer derzeit Vollbart, und andere Modehäuser tun es nach. Was die Models auf den Laufstegen angeht, halten sich die Häuser noch etwas zurück, aber auch hier hat Gucci den ersten Schritt getan und Männer mit Vollbart Bademode vorführen lassen.

Aber kann die Modeflause eines Designers, dem nichts besseres einfällt, als die Männer zu verunstalten, wirklich der Grund für den neuen Trend sein?

In den amerikanischen Medien wird angenommen, Männer mit Vollbärten hätten etwas zu verbergen oder befänden sich in einer Lebenskrise. Sie verweisen auf Al Gore, der sich nach dem verlorenen Präsidentschaftswahlkampf einen Bart wachsen ließ. Den hat er wieder abgenommen und erklärt, dass er in die Politik zurückgeht. Möglicherweise haben sich Männer in der Weltgeschichte immer dann Bärte und lange Haare wachsen lassen, wenn sie unzufrieden waren und sich unfrei fühlten. So wäre die Haar- und Barttracht während diverser großer und kleiner Revolutionen zu erklären. Auch in der Folge der 60er Jahre sahen revolutionär Bewegte entsprechend aus.

Und heute? Weit und breit keine Revolution. Oder gilt der Satz etwa auch umgekehrt? Wenn sich die Männer Bärte und lange Haare wachsen lassen, steht uns eine Revolution bevor? Wenn Bärte nicht durch Stil zu erklären sind, sind sie ein Statement. Aber wofür? Oder wogegen?

Vielleicht ist die Erklärung ganz einfach: Im Sommer ist es morgens einfach zu heiß, um sich lange und umständlich zu rasieren.

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