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Meine Frau, ihr Garten und ich: Des einen Kitz, des anderen Kitsch

Wer dem Tagesspiegel-Sonntag auf Facebook folgt, der hat das Kolumnenthema für diese Woche vielleicht schon im Video gesehen.

Von Andreas Austilat

Ich habe es „Überdekoration“ genannt, und es geht darum, was für einen Garten wir eigentlich haben wollen. Ich selbst träume manchmal davon, dass er mich in schlechten Zeiten ernährt. Als ich zum Beispiel diese Woche in der Zeitung las, Kartoffeln werden teurer, stellte ich mir sofort vor, ob man den Rhododendron nicht einfach unterpflügen und dort ein Kartoffelbeet anlegen könnte. Die Butterpreise steigen übrigens auch. Aber das führt wohl zu weit.

Meine Frau wünschte sich dagegen von Anfang an ein Blütenmeer. Und zwar ein üppiges. Weshalb in jede Lücke mittlerweile irgendein Ziergehölz drängt. Damit nicht genug. Meine Frau dekoriert sehr gern, am liebsten mit Dingen, die sie irgendwo am Wegesrand findet. Und sie findet ziemlich viel. Weil sie so oft durch die Straßen streift. Sagenhaft, was die Leute da alles abstellen. Als da wären: David in Gips (zweimal), einen goldenen Bilderrahmen (ohne Bild), eine hölzerne Etagere, die inzwischen mit allerlei Kräutertöpfen vollgestellt ist, ein uraltes Küchenregal, von dem die Farbe abblättert, was meine Frau aber zulässt, wegen der Patina. Im Efeu versteckt hängt an der Wand zum Nachbarn ein alter Spiegel und meine Frau kann sich jedes Mal darüber freuen, wenn Besucher das Ding für ein Fenster halten. Natürlich stöbert sie auch gern in Kellern rum, bei ihren Eltern hat sie ein pinschergroßes Reh aus ihrer Kindheit entdeckt. Damals hat sie das Kunststofftier mit Dartpfeilen beworfen, heute ist es gut genug, um im Gebüsch versteckt zu werden, wo man es in der Dämmerung für ein Kitz halten könnte. Oder für Kitsch.

Natürlich geben die Keller in der Verwandtschaft nicht mehr viel her, weshalb ich in ständiger Angst lebe, die Stadt Berlin könnte eine alte Idee wiederbeleben und den Sperrmüll wiedereinführen. Die Älteren werden sich erinnern, damals, so vor 20, 30 Jahren, durfte man an bestimmten Tagen sein Gerümpel an die Straße stellen, wo es dann von der Stadtreinigung abgeholt wurde, wenn das nicht vorher schon die Nachbarn erledigt hatten. Bis dahin behilft sich meine Frau damit, dass sie durch Läden streift, wenn sie mal ein paar Tage partout nichts auf der Straße gefunden hat. Neulich brachte sie einen ausgedienten Vogelkäfig mit, da stehen jetzt auch Kräuter drin.

Den ganzen Kram hat sie nicht nur im Garten verteilt, sondern auch auf der Terrasse. Für einen Gegenstand, der mir ans Herz gewachsen ist, bleibt da natürlich kein Platz mehr: mein nicht einmal besonders großer Grill. Ausgerechnet den findet sie hässlich, weshalb ich ihn immer wieder in den Keller bringen muss. Dabei ist ein Grill für jeden, der von der Selbstversorgung träumt, unverzichtbar. Ich glaube, wir müssen da noch einmal drüber reden.Andreas Austilat

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