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Meine Frau, ihr Garten und ich: Dunkle Wolken über der Wisteria

In diesen Tagen zieht man sich leicht den Neid der Gartenlosen zu. „Boah, habt ihr es gut“, heißt es dann, „ihr könnt grillen, wann ihr wollt.“ Stimmt.

Von Andreas Austilat

Und nicht nur das, wir haben es dabei nie weit bis zum Kühlschrank. Wir können auch den kleinen Plastikpool aufpumpen, ihn mit Wasser füllen und die Füße reinstellen. Das sind die Vorteile. Doch ein Garten bringt auch Konflikte mit sich. Gerade jetzt, wenn es so tropisch ist. Erst Hitze, dann ein Regenguss, danach wieder Hitze, unfassbar wie das wuchert.

Manch einer stößt dabei an seine Grenzen. Der wilde Wein zum Beispiel, der sehr zur Freude meiner Frau kunstvoll die Ziegelwand zwischen uns und Frau Nachbarin emporklettert. Oben angekommen, ist es jetzt passiert: Unter seinem eigenen Gewicht droht er abzurutschen. „Mein Wein“, klagte meine Frau neulich Abend denn auch ziemlich traurig. Dabei malte sie sich aus, wie der ganze Wust demnächst auf der Terrasse liegen würde. Man konnte meinen, sie hörte ihren Schützling bereits um Hilfe rufen, während seine kleinen Triebe auf der Mauerkrone ins Leere griffen.

Weil ich meine Frau auf andere Gedanken bringen wollte, lenkte ich ihre Aufmerksamkeit auf die Trompetenblume von Frau Nachbarin. „Schau mal, wie die blüht“, sagte ich arglos. Schwerer Fehler. Meine Frau hasst die Trompete, die immer mächtiger durch den Zaun greift. Sie mag die trompetenförmigen Blüten nicht, findet sie „wurstig“. In der Tat sehen sie ein wenig fleischig aus.

Ich glaubte ja, dass ihre Abneigung weniger auf das Aussehen der Trompete zurückzuführen ist als vielmehr auf die offensive Viriliät des kletternden Eindringlings. Schon bald wird die Trompete den Himmel verdunkeln. Meine Frau hat nichts Vergleichbares entgegenzusetzen. Ihre Wisteria ist im dritten Jahr und hat bis heute nicht ein einziges Mal geblüht. In der einschlägigen Fachliteratur steht, das kann bis zu acht Jahre dauern, manchmal passiert es nie. Ihr Wein wird ebenfalls nie blühen. Ihr Geißblatt blüht, müffelt dabei extrem süßlich. Weil ich mich das nicht zu sagen traue, haben wir das Thema aber noch nie erörtert.

Ich habe mich dann ein wenig kundig gemacht und bin auf ein paar Details gestoßen, die ganz objektiv gegen Nachbars Trompete sprechen. „Rote Trompete wuchert stark“, stand da, „kann durch Wurzelausläufer sehr lästig werden“ – du liebe Zeit –, „um sie im eigenen Garten längere Zeit zu ertragen, muss man sie sehr mögen und mit viel Geduld zum häufigen Zurückschneiden gesegnet sein.“ Um Himmels willen. Und noch etwas: Die Trompetenblume lockt Ameisen an. Hatte ich schon erwähnt, dass eine ganze Ameisenarmee bereits dabei ist, unsere Terrasse zu unterminieren?

„Komm“, sagte ich zu meiner Frau, als sie wieder ihrem Wein beim Rutschen zusah, „lass uns ein bisschen ins Haus gehen.“Andreas Austilat

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