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Panorama: Spanien im Partyrausch

15 Städte wetteifern um einen fragwürdigen Rekord: den der meisten Säufer

Madrid - In einem eigenartigen Wettstreit sind in etwa 15 spanischen Städten junge Leute dazu aufgerufen, sich in der Nacht zum Samstag auf zentralen Plätzen zu versammeln und möglichst viel Wein, Schnaps und Bier mitzubringen.

Regierung und die Behörden sind in Sorge. „Der Wettstreit ist ein Anschlag auf die Gesundheit“, warnte Gesundheitsministerin Elena Salgado. In mehreren Städten marschiert die Polizei auf, um die Saufgelage zu unterbinden. In Barcelona wird ein Platz vorsorglich eingezäunt. In Madrid wiesen die Behörden darauf hin, dass Alkoholgenuss im Freien mit Geldbußen von 300 bis 30 000 Euro bestraft werden kann. In anderen Städten reagierten die Verantwortlichen eher ratlos; denn in einigen Regionen gibt es keine gesetzliche Handhabe gegen die Open-Air-Gelage.

Der Auslöser des Wettstreits war vor vier Wochen eine Massenparty in Sevilla, zu der spontan 5000 Menschen kamen. Dies brachte in der Jugendszene von Granada die Idee auf, die Sevillaner zu übertreffen: Die beiden südspanischen Metropolen sehen sich traditionell als Rivalen. In Internetforen und über SMS zirkulierten Botschaften wie diese: „Die Sevillaner erschienen in den Fernsehnachrichten und wir nicht. Das darf nicht sein! Bitte weiterschicken!“ Von Granada griff die Initiative auf Städte wie Madrid, Barcelona, Oviedo, Murcia, Córdoba oder Málaga über. Alle wollen Sevillas „Rekordzahl“ von 5000 Teilnehmern übertreffen.

Das Besondere an dem Wettstreit ist, dass keine Organisation dahinter steht. Er geht wohl von Freaks aus, die mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel anonym einen Schneeballeffekt erzeugen. Inzwischen allerdings wurde die Frage aufgeworfen, ob die Gelage wirklich spontan zu Stande kommen – oder ob dahinter Haschisch- und Ecstasy-Dealer stehen, die ein lukratives Geschäft wittern.

Open-Air-Feiern sind in Spanien in den letzten Jahren zu einer Massenbewegung geworden. Schon vor gut 15 Jahren tranken Studenten in Salamanca und Cáceres in Westspanien ihr Bier lieber an der frischen Luft als im Gedränge an der Theke und kauften dazu lieber billig im Supermarkt ein als beim Wirt. So erhielten die Partys den Namen „botellón“ – „dicke Pulle“. Der neue „macrobotellón“macht das Feiern jetzt zu einem städteübergreifenden Wettkampf. Die Zeitung „ABC“ fordert energisches Einschreiten dagegen: „Die Teilnehmer dieser Treffen schaden nicht nur ihrer Gesundheit, sondern rauben auch den Anwohnern den Schlaf.“ Die Jugendlichen dagegen verweisen auf die ihnen viel zu hohen Getränkepreise in der Gastronomie.

Hubert Kahl[dpa]

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