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Panorama: Spendenaktion für Namensvetter: Beben bis Berlin

Schutt, Lehmhaufen, zerborstene Holzbalken. Das Beben hat Berlin arg mitgespielt.

Schutt, Lehmhaufen, zerborstene Holzbalken. Das Beben hat Berlin arg mitgespielt. "Bis vor wenigen Tagen hatten hier noch 20 000 Menschen ein Zuhause. Jetzt haben die meisten von ihnen kein Dach mehr über dem Kopf." Heinz Trebbin, Mitarbeiter der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), hat den 120 Kilometer südwestlich von San Salvador gelegenen Ort, der den gleichen Namen trägt wie die Hauptstadt Deutschlands, gerade besucht. Berlin in Zentralamerika gehört zu den Ortschaften in der Region Usulutan, in der das Erdbeben am meisten zerstörte. Nun hoffen die Mittelamerikaner auch aus Deutschland auf Hilfe. Der Erste hat sie bereits gehört: Bürgermeister Eberhard Diepgen sagte gestern auf Anfrage, er würde sich freuen, wenn die Menschen dieser Stadt das Leid im anderen Berlin "durch Spenden lindern helfen" würden. Heute soll zu diesem Zweck ein Konto eingerichtet und dessen Nummer veröffentlicht werden, teilte die GTZ mit.

Heinz Trebbin lebt seit sieben Jahren nicht weit von Berlin entfernt in San Salvador und arbeitet an der Schule für Orthopädietechnik. "Einer meiner Studenten hat seine ganze Familie verloren. Wenn man solch persönliche Beziehungen hat, trifft einen das Unglück erst recht ins Herz." So hoffen die Entwicklungshilfe-Mitarbeiter nun darauf, dass zumindest die Namensgleichheit auch Menschen im weit entfernten Nordeuropa zum Spenden animiert.

Berlin hieß bis 1985 "Agua Caliente", heißes Wasser, ist von dem im Auftrag der Bundesregierung tätigen GTZ-Mitarbeiter aus El Salvador zu erfahren. Mitte der Achtziger benannte ein Deutscher aus Bremen das Dorf nach der deutschen Mauerstadt. Bis zum Tag der Naturkatastrophe ernährten sich die indianischen Einwohner im mittelamerikanischen Berlin von der Landwirtschaft, trieben ihre Kühe auf die Weide, ließen ihre Hühner Körner picken, pflanzten Mais und ernteten Kaffee. Doch dann ließ die Naturkatastrophe ihre aus Holzgeflecht und Lehm errichteten Adobe-Häuser einknicken wie Halme auf dem Feld. "In dem sehr idyllisch gelegen Ort gab es auf dem Hauptplatz eine schöne Kirche im Bauspiel der spanischen Kolonialherren", berichtet Trebbin, der gerade mit Berlins Bürgermeister, Ramon Palma, und Vertretern von Hilfsorganisationen eine Ortsbegehung unternahm. Was im Ort fehlt, sieht man sofort: Wasser, Medikamente, Zelte, Decken, Lebensmittel. "Zu Berlin gehören noch weitere Gemeinden mit weiteren 10 000 Einwohnern, die zurzeit noch völlig abgeschnitten sind", sagt Trebbin. Hier ist die Zerstörung nur zu erahnen. "Straßen sind zum Teil kilometerlang zerstört, wir brauchen Hilfen zum Aufbau einer neuen Infrakstruktur."

4000 Menschen vermisst

Drei Tage nach dem desaströsen Erdbeben in Mittelamerika kann in El Salvador, das am stärksten von der Katastrophe betroffen ist, noch immer nur gemutmaßt werden über das wahre Ausmaß der Zerstörung und die Zahl der Opfer. Nachdem in den letzten Tagen aus aller Welt Hilfe in Form von Bergungsmaterial und Mannschaften, Nahrungsmitteln, Kleidung und Medikamenten eintraf, werden die Rettungsarbeiten noch immer weitergeführt, graben die Helfer aus dem In- und Ausland in den Erdmassen in dem Ort Las Colinas außerhalb der Hauptstadt San Salvador nach Überlebenden.

Etwa 1200 Personen wurden von einem Erdrutsch infolge des Bebens begraben. Die Hoffnung ist nunmehr gering, doch am Montag konnten noch drei Personen lebend geborgen werden.

Bislang werden mehr als 4000 Menschen vermisst. Neben dem Viertel Las Colinas war vor allem die Ortschaft Comasagua, etwa 28 km östlich von San Salvador, betroffen. Dort werden 3000 Menschen vermisst. "Jede weitere Stunde, die vergeht, erreichen uns aus isolierten Ortschaften neue Berichte von Opfern und von enormen Zerstörungen", sagte Luis Portillo, Sekretär für Kommunikation in El Salvador. Über 850 Nachbeben erschweren die Rettungsarbeiten zusätzlich und zwangen die Behörden, mehr als zehntausend Menschen aus ihren Wohnungen zu evakuieren und in provisorischen Zeltlagern in der Umgebung der Hauptstadt unterzubringen.

Nach einem Rundflug im Hubschrauber über das betroffene Gebiet konnte Präsident Francisco Flores keine Aussagen über die materiellen Schäden des Bebens geben.

Absolute Priorität sei derzeit die medizinische Versorgung der Überlebenden, die teilweise noch immer ohne ärtzliche Versorgung in von der Umgebung abgeschnittenen Ortschaften seien, so erklärte Flores.

Beschädigt wurden viele Verkehrsadern sowie das Kommunikationsnetz, erklärte Infrastrukturminister Miguel Angel Quirós. Auch der wichtigste Industriezweig, die Kaffeeproduktion, ist stark betroffen.

Annette Kögel, Anne Grüttner

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