zum Hauptinhalt

Panorama: Star im Zwielicht

Michael Jackson soll Kindesmissbrauch begangen haben, die Polizei erlässt Haftbefehl. Von außergerichtlicher Einigung ist diesmal nicht die Rede

Diesmal ist es ernst, sehr ernst. Daran lässt der Staatsanwalt keinen Zweifel. „Ich weiß“, sagt Tom Snedden, ein älterer Mann mit Schnauzbart und Brille, „dass viele von ihnen ein Déjà-vu-Erlebnis haben.“ Snedden spricht am Mittwoch im kalifornischen Santa Barbara zu etwa 250 Journalisten. Die Pressekonferenz wird von allen amerikanischen Nachrichtensendern live übertragen. Vor zehn Jahren bereits war der Popsänger Michael Jackson von einem 14-jährigen Jungen beschuldigt worden, ihn sexuell belästigt zu haben. Damals einigte man sich außergerichtlich. Etwa 20 Millionen Dollar soll Jackson dem Jungen gezahlt haben. Zu einer Anklage kam es nicht.

Doch jetzt, sagt der Ankläger, sei alles anders. Die Gesetze seien verschärft worden, das mutmaßliche Opfer sei äußerst kooperativ, ein Haftbefehl gegen den selbst ernannten „King of Pop“ liege vor. In kurzer Zeit werde Anklage gegen ihn erhoben. Jackson wird der mehrfachen Kindesmisshandlung bezichtigt. Pro Kind drohen ihm acht Jahre Gefängnis. Um hohe Schadensersatzleistungen geht es diesmal nicht. Keiner hat Zivilklage erhoben. „Der Haftbefehl am heutigen Tag hat auch nichts mit dem neuen Album von Michael Jackson zu tun“, sagt Snedden. Denn zeitgleich hat das Label Epic Records in den USA eine Sammlung von Jacksons größten Hits („Number One“) veröffentlicht.

Zum Zeitpunkt der Pressekonferenz hatte sich der Sänger noch nicht der Polizei gestellt. Seine Anwälte verhandelten noch über die Modalitäten. Die Kaution für den 45-Jährigen wurde auf drei Millionen Dollar festgelegt. Er muss seinen Pass abgeben und sich zur ständigen Verfügung halten. Jackson und seine drei Kinder sollen sich am Mittwoch in Las Vegas befunden haben. Dort wurde ein Musik-Video von dem Sänger gedreht. In einer ersten Reaktion, die er verbreiten ließ, zeigte er sich zornig. „Diese Typen scheinen immer dann mit ihren fürchterlichen Beschuldigungen aufzutauchen, wenn ein neues Projekt startet, ein Album oder ein Video herauskommt.“

Am Dienstag hatte ein Großaufgebot von Polizisten das Anwesen Jacksons, die Neverland Ranch im Santa Ynez Valley, durchsucht. Die Aktion begann um 7 Uhr früh und endete nach 23 Uhr. Wonach genau gesucht wurde, ist unklar. Laut CNN-Jurist Kendall Coffey dürften es Fotos, Videos, Computer gewesen sein. Die Anwesenheit Jacksons sei absichtlich ausgenutzt worden, um in Ruhe die Spuren sichern zu können. Fingerabdrücke wurden genommen, Haare und andere Gegenstände werden nun im Labor auf ihre DNA untersucht. Die Neverland Ranch, für die der Star einst 12,3 Millionen Dollar gezahlt hat, ist riesig. Es gibt auf ihr eine Villa, einen Zoo, einen Amüsierpark mit Karussells. Schon oft war sie der Schauplatz von Kinderfeiern.

Nach Angaben des Fernsehsenders "Court-TV" wurde die Hausdurchsuchung angeordnet, nachdem ein 12-jähriger Junge erzählt hatte, von Jackson sexuell missbraucht worden zu sein. In der Sendung „Celebrity Justice“ hieß es, der Junge habe über seine Erlebnisse detailliert in Therapiesitzungen geredet, die er vor mehreren Monaten begonnen habe. Der Therapeut habe sich daraufhin an die Polizei gewandt. Nach kalifornischen Gesetzen sind Ärzte, Therapeuten und Analytiker verpflichtet, die Polizei einzuschalten, wenn sie wissen oder mit hoher Sicherheit annehmen, dass ein Kind missbraucht wurde.

Mit Rücksicht auf das mutmaßliche Opfer wollten sich am Mittwoch weder der Staatsanwalt noch der ermittelnde Sheriff Jim Anderson über die Identität des Kindes äußern. Die Medien wurden eindringlich um Diskretion gebeten. In einer nicht repräsentativen Blitzumfrage, die der Nachrichtensender MSNBC durchführte, sagten 77 Prozent, sie hielten Jackson für schuldig.

Das ganze Jahr über hatte der Popsänger mit bizarren Äußerungen auf sich aufmerksam gemacht. Im Februar erzählte er in einer Dokumentation, die mit seiner Billigung entstanden war, dass er regelmäßig mit Kindern in einem Bett schlafe. Allerdings sei das „nicht sexuell, wir legen uns nur schlafen, ich decke sie zu“. Das sei „very charming, very sweet“. Als diese zweideutigen Bemerkungen einen Skandal verursachten, beschuldigte Jackson den Dokumentarfilmer, ihn unfair dargestellt zu haben. „Ich habe nie und würde nie ein Kind in unangemessener Weise behandeln“, sagte er. „Ich weise jede Unterstellung entschieden zurück, die das Gegenteil behauptet.“ In demselben Film kam auch der 12-jährige Gavin zu Wort, der erfolgreich von einer Krebserkrankung geheilt worden war. Er bewundere Jackson und genieße die Übernachtungen mit dem Popstar auf dessen Ranch, sagte er.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false