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Panorama: "Steingesicht": Lachen kann so mühsam sein

"Steingesicht" nennt Wanda im Jugendbuch von Karen-Susan Fessel ihre Nichte Leontine, genannt Leo, weil sie, egal, was geschieht, keine freundliche Miene macht. Dazu hatte sie in ihren 15 Jahren auch nicht allzu viel Anlass, allein bei ihrer Mutter, die wie der Vater heroinabhängig war und an Aids verstarb.

"Steingesicht" nennt Wanda im Jugendbuch von Karen-Susan Fessel ihre Nichte Leontine, genannt Leo, weil sie, egal, was geschieht, keine freundliche Miene macht. Dazu hatte sie in ihren 15 Jahren auch nicht allzu viel Anlass, allein bei ihrer Mutter, die wie der Vater heroinabhängig war und an Aids verstarb. Leo ist von Berlin nach Braunschweig übersiedelt mit ihrer schwierigen Kindheit im Gepäck, ihre Tante hat sie nach langen Kämpfen bei sich aufnehmen können, und Leo soll sich nun an die vermeintlich heile Welt der Provinz gewöhnen. Den Lehrern an der Gesamtschule begegnet Leo cool. Auf Neckereien der Mitschüler reagiert sie mit heftiger Wut, einer Wut, die sie kennt und die sie alles zerstören lässt, was ihr unter die Finger kommt, auch wenn die schlechten Gefühle bleiben. Anderen zeigt sie am liebsten die kalte Schulter, auch ihrer Mitschülerin Tinka, die selbst auch nicht aus einer heilen Welt kommt und sich sehr um Leo bemüht, auch wenn Leo alles tut, um die hartnäckige Tinka abzuschrecken.

Bei Wanda hat Leo es gut, Wanda lebt in einem kleinen gemütlichen Häuschen vollgestopft mit Kram fast in der Natur und fertigt Maßschuhe an. Dass mal eine nur für sie einen Kuchen bäckt und einen Kaffeetisch herrichtet, das verblüfft und erfreut Leo. Mit Leo kommt Wanda klar, Wanda kann Raum geben und zuhören und das Mädchen hart konfrontieren, wenn es sein muss, um Leo das Weglaufen auszureden und eine drohende Heimeinweisung zu verhindern.

Leo, die gewohnt ist, allein klarzukommen, nach der nie jemand richtig geschaut hat und die sich von Jugendämtern herumgeschoben fühlt, kann sich allmählich einlassen auf diese Angebote Wandas und Tinkas und lernt mit vielen Brüchen, wie es sich anfühlt, anderen Menschen nahe zu sein, vorsichtig zu vertrauen und sich gar zu verlieben. Beim Thema Liebe geht es um Frauen, die Frauen lieben. Die männliche Welt schneidet durchweg schlecht ab. Tinka verwandelt sich bei der ersten Liebe nicht in ein gackerndes Huhn wie die meisten Mädchen, die Leo beim Verlieben beobachtet, das spricht für sie. Aber erst der gleichaltrigen Malin kann Leo sich wirklich anvertrauen.

Der Weg, den Leo zurücklegt, ist mühsam, aber es gelingt ihr, ihr Steingesicht aufzugeben, weil - anders als in der Kindheit, immer im richtigen Moment Menschen da sind, denen Leo von ihren Ängsten erzählen kann und die zuhören auch bei den ganz schwierigen Sachen. Am Ende kann Leo sagen: "Dies ist mein Leben, und es fängt gerade an, mir verdammt gut zu gefallen."

Beate Simon

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