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"Stephanie-Prozess": Qualvolle Gefangenschaft

Im Stephanie-Prozess sind neue Details zum Martyrium der damals 13-jährigen Schülerin während ihrer Geiselnahme bekannt geworden. Die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft wurde erneut kritisiert.

Dresden - Am vierten Prozesstag vor dem Landgericht Dresden ging es dabei vor allem um eine Holzkiste, in der Stephanie vom Angeklagten Mario M. eingesperrt worden war. Dieser gab unter Ausschluss der Öffentlichkeit fast vier Stunden lang eine Erklärung zu seiner persönlichen Entwicklung ab. Unterdessen gibt es weiter Streit um die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft.

Die Jugendschutzkammer nahm die Holzkiste in Augenschein, in der Stephanie bei ihrer Entführung vom Schulweg sowie während ihres insgesamt 36-tägigen Martyriums mehrfach bis zu einer halben Stunde eingesperrt worden war. Der 36-Jährige M. soll sie dabei mit einer Socke und einem Klebeband geknebelt haben.

Quälende Schmerzen in einer Holzkiste

Vor Gericht sagte eine 20-jährige Polizeischülerin aus, die bei den Ermittlungen als Testperson in einem Nachbau der 49 Zentimeter breiten, 94 Zentimeter langen und 50 Zentimeter tiefen Sperrholzbox eingeschlossen worden war. "Ich konnte nicht länger als fünf Minuten in der Kiste bleiben. Bewegungen waren kaum möglich. Ich bekam Krämpfe in der Hüfte und hatte Schmerzen in Nacken und Rücken", sagte sie. "Die ganze Situation war schlimm für mich und ich habe mich gefragt, was Stephanie in diesen Momenten gefühlt hat." Der Vater des Opfers, Jochim R., musste bei der Schilderung sichtlich um Fassung ringen.

M. gab unterdessen am Nachmittag fast vier Stunden lang eine Erklärung ab. Stephanies Anwalt Ulrich von Jeinsen sagte im Anschluss, "M. ist ein hochintelligenter Mann, der genau weiß, was er tut. Er macht auf Sympathie, um die Kammer für sich einzunehmen und so ein geringeres Strafmaß zu erreichen." Ein ermittelnder Beamter hatte zuvor Angaben zum familiären Hintergrund des Angeklagten gemacht. Danach ließen sich die Eltern scheiden, als er drei Jahre alt war. Zudem sei der Vater offenbar gewalttätig gewesen. Die Mutter gab dem Polizisten zufolge an, dass der 36-Jährige sie verstoßen habe. Sie habe angesichts der Taten um Stephanie große Schuldgefühle.

Staatsanwaltschaft steht in der Kritik

Schließlich gab es erneut Streit um die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft. Jeinsen warf ihr vor, die ersten drei Tage der Entführung nur eingeschränkt in der Anklageschrift berücksichtigt zu haben. "Für das unberührte Mädchen waren das die schlimmsten Tage", sagte er. Zu Beginn der Verhandlung war indes Jeinsen in die Kritik geraten. Er hatte beantragt, als Ersatz für die Zeugenaussage des Mädchens das Vernehmungsprotokoll von Stephanie sowie ihre Tagebuchaufzeichnungen zu verlesen. Die Staatsanwaltschaft erklärte, Jeinsens "Angriffe" auf die Ermittlungen seien nicht "verfahrensfördernd". Der Anwalt des Angeklagten, Andreas Boine, warf Jeinsen vor, über die Öffentlichkeit die Entscheidung des Gerichtes beeinflussen zu wollen.

Für die Verhandlung am Mittwoch ist die Vernehmung der Mutter der zwölfjährigen Tochter von M. sowie von zwei Ex-Freundinnen geplant. Darüber hinaus sollen zwei Psychologinnen und eine Medizinerin aussagen. Die Kammer kündigte an, dass ein Teil der Vernehmungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden solle. M. muss sich seit dem 6. November wegen Vergewaltigung, Geiselnahme, Kindesentziehung und schweren sexuellem Missbrauch vor Gericht verantworten. (tso/ddp)

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