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Ultraschall-Untersuchung an einer schwangeren Patientin.

© Daniel Karmann/dpa

Studie der Bertelsmann Stiftung: Schwangere lassen sich zu oft untersuchen

Schwangere sind heute besser versorgt denn je. Fast alle werdenden Mütter wollen mehr Untersuchungen als allgemein empfohlen wird. Experten beklagen, dass die Schwangere damit zur Patientin wird.

Zuviel Ultraschall, zu viele Untersuchungen: Fast alle Schwangeren nehmen einer Studie zufolge Vorsorgemaßnahmen in Anspruch, die in den Richtlinien gar nicht vorgesehen sind. Hierzu zählen etwa mehr als drei Ultraschalluntersuchungen sowie spezielle Blut- oder Herztonmessungen. Dies zeigt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung, für die knapp 1300 Mütter kurz nach der Geburt befragt wurden. Nahezu unerheblich war dabei, ob eine Risikoschwangerschaft oder ein unauffälliger Verlauf vorliegt: Die Untersuchungen liefen fast alle gleich ab.

Experten fürchten, auf diese Weise werde Schwangerschaft immer mehr als etwas Krankhaftes und Behandlungswürdiges angesehen. Es schüre die Angst der Frauen vor der Geburt und somit „möglicherweise auch ihren Wunsch nach einer vermeintlich sicheren Kaiserschnitt-Entbindung“, sagte Studienautorin Rainhild Schäfers von der Bochumer Hochschule für Gesundheit. Auch die CDU-Gesundheitspolitikerin Maria Michalk betonte: „Schwanger zu sein ist keine Krankheit. Deshalb halte ich wenig davon, immer wieder neue und weitere Untersuchungen zu machen.“

Bei der Befragung gab fast die Hälfte der Frauen mit normaler Schwangerschaft an, mehr als fünf Ultraschalluntersuchungen gemacht zu haben. Die Mutterschaftsrichtlinien sehen aber nur drei vor. Auch scheint eine spezielle Herzton- und Wehenmessung (CTG/Kardiotokographie) längst zur Routine zu gehören. Obwohl diese Untersuchungsmethode nur bei drohenden Frühgeburten und anderen Auffälligkeiten vorgesehen ist, ließen 98 Prozent die Untersuchung durchführen - im Schnitt sogar öfter als vier Mal. Auch Blutuntersuchungen, die über den normalen Vorsorgestandard hinausgehen, oder dreidimensionaler Ultraschall wurden von den Schwangeren genutzt.

Viele Schwangere glauben, die Untersuchungen gehörten zur Routine

Die Befragung zeigte auch: Viele werdende Mütter glaubten, die in Anspruch genommenen Kontrollen gehörten zur Routine. Dies gilt insbesondere für die CTG-Messungen: Mehr als 94 Prozent der Mütter waren laut Befragung der Meinung, diese gehörten routinemäßig zur Vorsorge.

Auffällig sei, dass Ärzte zu einem teilweise hohen Prozentsatz auch bei unbelasteten Schwangerschaften zu Untersuchungen rieten, die nicht vorgesehen sind, sagte Jan Böcken, Experte der Bertelsmann-Stiftung. So gaben 36 Prozent der Mütter, die trotz normalem Schwangerschaftsverlauf auf mehr als drei Ultraschalluntersuchungen kamen, an, auf Anraten des Arztes gehandelt zu haben. 35 Prozent ließen die Untersuchung auf eigenen Wunsch machen. Ein knappes Drittel handelte im Glauben, weitere Ultraschalluntersuchungen seien Teil der Routine.

Weniger Untersuchen hilft Stess vermeiden

Die Studienautorinnen vermuten, dass gerade beim Ultraschall der Wunsch bestehe, sich mit dem Blick in die Gebärmutter vom Wohlergehen ihres Kindes zu überzeugen und so eine Bindung aufzubauen. Dies ließe sich jedoch durch gezieltes Abtasten ebenso erreichen. Die Bundestagsabgeordnete Michalk betonte, ein „normaler Umgang“ mit der Schwangerschaft schone die Nerven von Mutter und Kind. „Für beide ist Stressvermeidung wichtiger als ein Untersuchungsmarathon.“

Trotzdem haben vier von fünf Frauen für oft nicht notwendige Präventionsmaßnahmen selbst in die Tasche gegriffen. Vor allem bei speziellen Blutuntersuchungen gaben sie an, dazugezahlt oder die Kosten vollständig übernommen zu haben. Andere bezahlten für geburtsvorbereitende Akupunktur oder weitere Ultraschallaufnahmen. Ob die Kosten jeweils übernommen werden, hänge vom Leistungskatalog der Krankenkassen sowie der Frage ab, ob bei Untersuchungen irgendwelche Auffälligkeiten festgestellt wurden, sagte Böcken.

Die Bundesregierung wollte sich zu den Erkenntnissen der Wissenschaftler spontan nicht äußern. Das Gesundheitsministerium versicherte jedoch, man werde sich die Studie genau ansehen. (dpa)

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