zum Hauptinhalt

Panorama: Süßer die Dünen nie singen

Ein Forscher hat in Marokkos Wüste herausgefunden, auf welche Weise die Körner Melodien erschaffen

Wer als Tourist die nordafrikanische Sahara erkundet, sich tief hinein in die heißesten Regionen Marokkos oder Algeriens begibt und sich dabei gänzlich auf den Orientierungssinn der Safariführer verlässt, der gilt mitunter als waghalsig, sogar großspurig. Kein Wunder, dass diesen Menschen bisher große Skepsis entgegenschlug, wenn sie nach ihrer Rückkehr von brüllenden oder singenden Sanddünen erzählten, gab es für dieses Phänomen doch keine wissenschaftliche Erklärung. Doch das ist nun vorbei.

Eine Gruppe von Forschern um den Physiker Bruno Andreotti von der Universität Paris hat das jahrhundertealte Rätsel, von dem schon Marco Polo in seinen Reisenotizen berichtete, gelöst: Die Töne werden von Lawinen verursacht, in denen Sandkörner aufeinander prallen. Mehrere Wochen hat Andreotti mit seinen Kollegen in der marokkanischen Sahara verbracht. Das Team untersuchte Vibrationen des Sandbodens in der Umgebung der Dünen und verglich diese mit den gleichzeitig aufgefangenen Schallwellen. Das Ergebnis: Die Dünen ähneln der Membran eines Lautsprechers.

Die Oberflächenschichten senden Schallwellen in die Luft; diese Töne können bis zu 105 Dezibel erreichen, liegen also knapp unter der Schmerzgrenze, und sind dadurch noch mehr als zehn Kilometer vom Ausgangsort entfernt zu hören. Ihre Frequenz hängt nicht von der Größe der Düne, sondern von der Häufigkeit der Sandkorn-Zusammenstöße ab. Allein in Marokko gibt es mehr als 10 000 solcher Lärm verursachenden Dünen. „Nicht alle Dünen singen, aber alle singenden Dünen bestehen aus sehr trockenem Sand“, schreiben die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Physical Review Letters“. Sobald der Sandüberhang zu groß wird, rutscht er als Lawine an der Düne herunter – und die fängt an, Krach zu machen.

Auch im britischen „New Scientist Magazine“ werden Andreottis Ergebnisse gerade mit Begeisterung diskutiert. Andreotti selbst will die Dünen weiter untersuchen, allerdings nicht mehr in der heißen Wüste, sondern zu Hause im kalten Paris: Mit Computersimulationen und Laborexperimenten soll herausgefunden werden, wie zufällige Zusammenstöße der Sandkörner großflächige Oberflächenwellen auslösen können.

Kathrin Schich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false