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Noch ist unklar, was in einer Kurklinik auf der Nordseeinsel Sylt geschah.

© dpa

Sylt: Ermittler gehen Missbrauch unter Kindern nach

Sind Doktorspiele ausgeufert oder haben Kinder auf Sylt einander sexuell gequält? Es geht um eine Gruppe von Jungen im Alter zwischen 9 und 13 Jahren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Am 6. August wurde es einem der Jungen offenbar zu viel, spätestens da. Zumindest war das der Abend, an dem sich der kleine Patient einem der Betreuer in der Fachklinik für übergewichtige Kinder auf der Nordseeinsel Sylt anvertraute. In seiner Kleingruppe in der Klinik, 16 Jungen im Alter zwischen neun und zwölf Jahren, war es über Wochen immer wieder zu sexuellen Übergriffen gekommen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Flensburg zum Vorwurf des „sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen“. „Ob, was und wie“ vorgefallen ist, sagt Oberstaatsanwältin Ulrike Stahlmann- Liebelt, könne man aber derzeit noch nicht beurteilen.

In der Ruhezeit am Abend, vor der eigentlichen Nachtruhe, soviel scheint inzwischen zumindest klar zu sein, traf sich die auf Diät gesetzte Jungengruppe immer heimlich. „Flaschendrehen“ stand auf dem Programm. Angeblich haben alle bis auf zwei (die dafür aber wohl Schmiere standen) daran teilgenommen. Wer das wie freiwillig getan hat, gehört zu den noch nicht geklärten Punkten. Auch was genau vorgefallen ist. Allerdings bestätigt die DAK, der die Klinik gehört, „dass es im Juli und August 2010 sexuelle Handlungen unter neun- bis zwölfjährigen Jungen gegeben hat“. „Den Vorwurf der Vergewaltigung weisen wir aber zurück“, sagt einer der DAK-Sprecher, Rüdiger Scharf. Vielmehr seien hier offenbar „Grenzen ausgetestet und Grenzen überschritten worden“.

Die DAK reagiert damit auf Vorwürfe der Mutter eines betroffenen Jungen. Diese berichtete in der „Bild“-Zeitung von Zungenküssen, Oralverkehr und Analverkehr. „Niemand weiß genau, wie weit sie gegangenen sind“, heißt es im Zuge der Ermittlungen. Auf jeden Fall aber hat die Klinik an dem betreffenden Abend dann sofort reagiert. Die drei Anführer wurden von den anderen getrennt, isoliert, in einem anderen Trakt untergebracht und am nächsten Tag nach Hause geschickt. Um die anderen Kinder kümmerten sich die Psychologen des Betreuerteams. Auch die Eltern wurden gleich informiert, woraufhin eine Mutter ihren Sohn abholte. Noch auf Sylt ließ sie ihn von einem Ambulanzarzt untersuchen, der offenbar zumindest keine Spuren einer Vergewaltigung feststellen konnte. Polizei und Staatsanwaltschaft wurden eingeschaltet. „Wir nehmen die Vorfälle in unserer Fachklinik sehr ernst“, heißt es in einer Presseerklärung des DAK-Sprechers Frank Meiners, „wir tun alles, um die Vorgänge so weit wie möglich aufzuklären“.

Dem hat die Mutter, die den Fall jetzt öffentlich gemacht hat, auch nachgeholfen. Sie erstatte Strafanzeige. Die zuständige Staatsanwaltschaft Flensburg ermittelt nun, ob es sich bei den Vorfällen „nur“ um „erweiterte Doktorspiele“, wie es beim Klinikbetreiber heißt, handelt oder ob hier sexueller Missbrauch vorliegt. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, sagt Oberstaatsanwältin Stahlmann-Liebelt. Auch die Vernachlässigung von Aufsichtspflichten könnte als ein Aspekt im Missbrauchsvorwurf enthalten sein. Man prüfe die Verantwortlichkeiten. Allerdings sind alle direkt Beteiligten jünger als 14 Jahre und damit strafunmündig. Jetzt werden die Betroffenen angehört, die über die Bundesrepublik verteilt wohnen. Im Haus Quickborn der DAK-Klinik hatte die Jungen ja nur die Abspeckkur zusammengeführt. Ob noch weitere Eltern Anzeige erstattet hätten, konnte die Staatsanwältin am Dienstag nicht sagen. Die DAK weist auch den Vorwurf zurück, die Aufsicht vernachlässigt zu haben. Die Klinik biete eine 24-Stunden-Betreuung und mit 40 Fachkräften für insgesamt 64 Kinder einen hohen Betreuerschlüssel.

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