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T-Online: "He, Du Kameltreiber!"

T-Online ist mit seinen Foren überlastet und bietet Extremisten und Populisten eine gefährliche Plattform. Der Verweis auf die momentane Gesetzeslage ist dabei nicht mehr als ein billiges Alibi.

Berlin (22.07.2005, 14:16 Uhr) - Des Volkes Stimme kann manchmal ein ziemlich raues Timbre bekommen: "Tut alles, um den Islam in den westlichen Ländern ´zu zerschlagen`!" oder "Schickt die Verstörten in die Wüste, zieht eine große Mauer drum rum und lasst sie sich gegenseitig die Schädel einschlagen!", fordert beispielsweise ein Surfer mit dem bezeichnenden Namen "antiachmed" unter dem Thema "Verbot des Islam".

Auch "robitopi" hat etwas beizusteuern: "Geh hin und rasiere deine Mumu! He, warum schaffst du Kameltreiber denn nicht deinen Liebsten in der Türkei zu heiraten?" Oder sogar "W aus L", der warnt unverhohlen: "Wenn aber die Muslime nicht dafür sorgen, dass die Radikalen in ihren Reihen ausgetrocknet werden, werden bald die ersten Moscheen brennen." Allerdings finden sich solche Aussagen nicht etwa nur auf dunklen Nebenpfaden des Internets, sondern hochoffiziell im Forum des Internet-Portals von T-Online.

"Uns gefallen diese Einträge auch nicht."

Für solche Fälle hat der Darmstädter Mediengigant zwar einen Extra-Link "Foren-Alarm" eingerichtet, den besorgte User betätigen können - der Erfolg hält sich aber in Grenzen. Die Zitate oben stehen seit langem im Netz und auch nicht auf jeden Hilferuf wird reagiert. So bleibt ein deutlich rechtsorientierter Beitrag weiter im Chat, obwohl selbst das Foren-Team die Aussagen "nicht goutiere".

T-Online-Pressesprecher Martin Frommhold verweist auf die Rechtsprechung: "Es handelt sich hier um ein nichtmoderiertes Forum." Inhalte seien demnach nur bei konkretem Gesetzesbruch zu streichen. Außerdem wäre es Großunternehmen nach neuesten Rechtsprechungen nicht zuzumuten, ihre Foren ständig zu überprüfen. "Uns gefallen diese Einträge auch nicht", sagt Frommhold weiter, "aber wir bewegen uns im legalen Raum."

Damit hat er freilich recht. Nur scheint es äußerst fragwürdig, ob T-Online so sein Saubermann-Image aufrechterhalten kann. Da gerät der großangelegte Jugendschutz zur Farce, wenn unter eigenem Logo - nur ein paar Klicks von der Homepage entfernt - "maze" pauschal bei europäischen Moslems diagnostiziert: "Ihr solltet eigentlich alle in Schlössern wohnen und den ganzen Tag Champagner saufen, aber euer DIKTATOR sackt das ganze Geld ein."

Riesiges Arsenal für Halbwahrheiten, Schmähungen und Vorurteile

Extremistischen Äußerungen ist per Gesetz also kein Einhalt zu gebieten. Fakt ist aber, dass sich hier ein riesiges Arsenal für Halbwahrheiten, Schmähungen und Vorurteile auftut, dass häufig eher populistischer Hetze als demokratischen Diskussionen zur Plattform dient. Von den Verbrechen gegen die deutsche Rechtschreibung einmal ganz abgesehen. T-Online nimmt es in Kauf, die Klickzahlen stimmen.

Bleibt die Frage, ob der ursprüngliche Sinn von Foren in solch unüberschaubaren Rahmen nicht ad absurdum geführt wird. Dieses Problem trifft zugegebenermaßen nicht nur T-Online, sondern mehr oder weniger alle Internet-Großanbieter. Den Luxus einer freiwilligen Selbstkontrolle sollte sich daher jeder leisten. Nicht zuletzt aus ganz eigennützigen Motiven. Schließlich vergrault man sich durch Wortschöpfungen wie "Mohammed-Trottel" und "Jesus-Scheiß" am Ende den Großteil der eigenen Kundschaft. (Von Friedrich Pohl)

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