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Taizé: Trauerzeremonie für Frère Roger

In einer bewegenden Zeremonie haben 10.000 Menschen aus aller Welt heute im Burgund Abschied von Taizé-Gründer Frère Roger genommen.

Taizé (23.08.2005, 17:13 Uhr) - Kirchenvertreter und überwiegend jüngere Gläubige gedachten in dem schlicht geschmückten Gotteshaus des äußerst geschätzten und charismatischen Geistlichen, den eine vermutlich geistesgestörte Frau vor einer Woche beim Abendgebet erstochen hatte. Rogers Tod hatte seine ökumenische Gemeinschaft tief erschüttert. Der wegen seiner gelebten Toleranz gegenüber anderen Konfessionen von Protestanten wie Katholiken gleichermaßen hoch geschätzte Geistliche wurde 90 Jahre alt.

Für Bundespräsident Horst Köhler war es ein besonderes Anliegen, als ranghöchster Politiker an der Trauerfeier in Taizé teilzunehmen. «Ich bin hierher gekommen, um mitzutrauern, weil der Tod von Frère Roger große Bestürzung ausgelöst hat», sagte Köhler vor der Zeremonie der dpa in Taizé. «Ich bin aber auch gekommen, um die Gemeinschaft von Taizé in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen, denn sie baut Grenzen ab zwischen den Menschen, und das brauchen wir in der heutigen Welt.»

Die Taizé-Gemeinschaft hatte mit den Trauerfeierlichkeiten bis zum Ende des Weltjugendtages gewartet, damit Rückkehrer aus Köln dabei sein konnten. Trotz trüben Regenwetters kamen Tausende in den abgelegenen kleinen Ort in hügeliger Landschaft, um ihrem Frère Roger die letzte Ehre zu erweisen. «Wir waren jetzt zwölf Stunden unterwegs, denn es war für uns keine Frage, wir wollten ganz vorn bei dieser Ehrung dabei sein», erzählten junge Italiener.

Schon beim Gebet am Vorabend war die Taizé-Gemeinde auf 5000 angeschwollen - junge Gläubige in Jeans und Turnschuhen, daneben ganze Familien von allen Kontinenten, Priester und Ordensschwestern. «Der Gemeinschaft hat man nichts Schlimmeres antun können», meinte der 46-jährige Arzt Patrick zu dem Attentat auf Roger, «das hat sie aufgewühlt».

Für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) war der Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber zur Beisetzung gekommen. Roger hatte eine lange und besonders enge Beziehung zu Deutschland. So hatte er sich bereits vor acht Jahren einen deutschen Nachfolger ausgesucht. Zahlreiche Menschen zündeten auch im Münchner Liebfrauendom zum Gedenken an den Prior Kerzen an.

In einer Stimmung tiefster Andacht mit vielen Tränen leitete Kardinal Walter Kasper, Vertreter des Vatikan, die mehrsprachige Zeremonie. Er würdigte Frère Roger, «der mit seiner Gegenwart, seinem Wort und seinem Beispiel einen Strahl der Liebe und der Hoffnung verbreitet hat, weit über die Grenzen und Spaltungen dieser Welt hinaus». In einem im Chor ausgelegten Heft stand beispielhaft ein einfacher Dank an den Toten: «Merci, Frère Roger, du hast uns gezeigt, dass eine Welt in Frieden und Brüderlichkeit möglich ist.»

Weil die mit Blumen und religiösen Bildnissen geschmückte Versöhnungs-Kirche nicht alle angereisten Trauernden und Gläubigen fassen konnte, hatte die Gemeinde unterhalb des überfüllten Gotteshauses eine Großleinwand aufgestellt. 90 Frères, traditionell in Weiß gekleidet, saßen in den Chor-Reihen, als fünf Mitglieder ihrer Gemeinschaft den einfachen Sarg aus hellem Holz in die Kirche trugen. TV-Anstalten aus sieben Ländern übertrugen die Trauerfeier.

Roger findet auf dem kleinen Friedhof von Taizé seine letzte Ruhe. Das Gotteshaus, in dem Roger getötet und in dem seiner gedacht wurde, hatte er 1962 für seine weltweit bekannte Gemeinschaft bauen lassen. Der deutsche Frère Alois (51) will das Werk des Taizé-Gründers nun fortsetzen: «Wir möchten in seinem Sinn weiterleben», sagt er. Ihn hatte Roger zum neuen Prior bestimmt. Taizé, die ökumenische Idee und Wirklichkeit, lebt so weiter - der Protestant Roger gab den Stab an den aus Stuttgart stammenden Katholiken ab.

Der mutmaßlichen Täterin droht eine lebenslange Haftstrafe. «Vater, verzeih ihr», betete Alois, «denn sie weiß nicht, was sie getan hat». Der 58-jährige Gerhard aus Bamberg hatte schon am Abend der Tat bemerkt, dass Vergebung und Mitgefühl sofort im Mittelpunkt standen: «Beeindruckend, wie man hier mit alledem umgegangen ist.» (Von Petra Klingbeil und Hanns-Jochen Kaffsack, dpa)

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