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Marco Antalya

© dpa

Teenager in Haft: Merkel versucht im Fall Marco zu schlichten

Mehrere Politiker haben sich im Fall Marco W. schon geäußert. Nun ergreift auch die Bundeskanzlerin das Wort. Unterdessen wächst die Kritik an der Haltung Deutschlands.

Im Fall des in der Türkei wegen sexuellen Missbrauchs einer 13-Jährigen angeklagten deutschen Teenagers Marco W. wächst die Kritik an der Haltung Deutschlands. Wenn deutsche Regierungsstellen das türkische Außenministerium zur Freilassung des 17-Jährigen aufforderten, sei das eine "Taktlosigkeit", sagte Oberstaatsanwalt Osman Vuraloglu in Antalya laut türkischen Presseberichten. Der SPD-Europaabgeordnete Vural Öger warf Politik und Medien in Deutschland eine einseitige Parteinahme und eine unzulässige Einmischung in ein schwebendes Verfahren vor. Beide Seiten müssten in dem Fall gehört werden, auch die Familie des Mädchens.

Marco soll während des Familienurlaubs im Hotel intime Kontakte mit der 13-jährigen Charlotte aus dem englischen Manchester gehabt haben. Nach einer Strafanzeige ihrer Eltern war er Mitte April wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch in Haft genommen worden. Sein Prozess wird am 6. Juli fortgesetzt. Bei einer Verurteilung drohen ihm acht Jahre Haft, die er vermutlich zum Teil in Deutschland absitzen könnte. Am Mittwoch hatte auch die Staatsanwaltschaft Lüneburg gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen der sexuellen Belästigung von Kindern eingeleitet. Marco beteuert, das Mädchen habe sich als 15-Jährige ausgegeben und sei zu Intimitäten bereit gewesen. Die Bundesregierung fordert, den Schüler aus der Untersuchungshaft freizulassen.

Staatsanwalt droht mit Nachrichtensperre
  
Der türkische Oberstaatsanwalt Vuraloglu stellte die Frage, was die deutschen Behörden wohl sagen würden, wenn sich türkische Behörden in einem ähnlichen Fall mit solchen Forderungen zu Wort meldeten. Das Großaufgebot deutscher Fernsehjournalisten vor dem Gefängnis von Antalya bewertete er als Versuch, den Prozess zu beeinflussen. Er werde als Gegenmaßnahme eine Nachrichtensperre verhängen, kündigte Vuraloglu an.

Auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Eckart von Klaeden (CDU), warnte vor politischem Druck auf die türkische Justiz. Dieser führe nur dazu, dass Richter und Staatsanwälte den Eindruck gewännen, ihre Unabhängigkeit werde in Frage gestellt, sagte von Klaeden dem Nachrichtensender N24. Das fänden diese "weder in der Türkei noch in Deutschland noch in einem anderen Land, das ich kenne, besonders lustig".

Öger kritisiert Merkel

Öger kritisierte, in Deutschland sei zu schnell ein Urteil gefällt worden über vermeintliche "orientalische Willkür und anatolische Prüderie". Ebenso wie in Deutschland werde Sex mit Minderjährigen auch in der Türkei strafrechtlich geahndet. Die Äußerungen deutscher Politiker könnten Marco nicht helfen. So wirkten auch die Worte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "äußerst kontraproduktiv", sagte Öger auf N24. "Dieser Druck auf die türkische Justiz führt dazu, dass die Richter eine vorgefasste Meinung einnehmen."

Merkel hatte am Mittwoch weitere Hilfe für Marco W. zugesagt. Dem Jungen müsse "aktuell und ganz präzise" geholfen werden, sagte sie in den ARD-"Tagesthemen". Es gehe jetzt darum, dass der Schüler möglichst bald wieder nach Hause komme.

"Behutsamkeit und Ruhe"

Heute hat die Bundeskanzlerin zu "Behutsamkeit und Ruhe" geraten. "Es ist ja bekannt, das wir auf allen Ebenen, die notwendig sind, mit den türkischen Behörden in Kontakt sind", sagte Merkel in Berlin. Das Auswärtige Amt tue dies in ganz hervorragender Weise. "Unser ganzes Ziel sollte sein, dem Jungen zu helfen, so gut das möglich ist."

Diese Forderung unterstützte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Dieter Wiefelspütz. "Es ist richtig, dass sich deutsche Staatsorgane um deutsche Staatsbürger kümmern. Der Hinweis von Frau Merkel ist eine Hilfe", sagte er der Berliner "B.Z.". Es gehe nicht um eine Beurteilung vorab, sondern darum, den Fall vorurteilsfrei nach Deutschland zu holen. "Es wäre sachgerecht, wenn sich der Jugendliche hier dafür verantworten würde. Das lässt sowohl das türkische wie auch das deutsche Recht zu", sagte Wiefelspütz. Im umgekehrten Fall würde er das genauso sehen. (mit AFP, dpa)

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