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Delfine

© dpa

Tierschutz: Free Flipper

Der Tierschutzstreit um Delfinarien schlägt Wellen bis in den Bundestag – jetzt schließt das erste.

Es ist beliebt, es ist umstritten – und es macht jetzt dicht: Im Heidepark Soltau in der Lüneburger Heide schließt das Delfinarium nach vielen Protesten von Tierschützern zum Ende der Saison im Herbst. „Wir sind der Überzeugung, dass diese walartigen Meeressäuger nicht in Gefangenschaft gehalten werden sollen, das widerspricht unser Firmenphilosophie“, teilte der neue Betreiber, die Sealife-Gruppe „Merlin Entertainments“ aus London, dem Tagesspiegel mit. Ob Delfine, Menschenaffen oder Eisbären: In Deutschland ist infolge des Zootier-Starrummels um Knut und Flocke eine Debatte um die Haltung von Wildtieren entbrannt.

Jetzt soll sich auch der Bundestag damit beschäftigen: Die SPD-Abgeordnete Mechthild Rawert will eine parlamentarische Initiative starten. Sie will die Haltungsbedingungen von Wildtieren hinter Gittern überprüfen lassen. „Die Vorgaben zu den Käfig- und Gehegegrößen sind teils veraltet, viele Zoos stellen längst von sich aus größere Anlagen zur Verfügung, da müssen wir dringend nachbessern“, sagte Rawert. Gerade erst brachte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Undine Kurth, einen Antrag auf Importverbot der vor allem in Japan auf grausame Weise eingefangenen Delfine mit anschließender Massenschlachtung ein. Kurth und Rawert sprechen sich zudem gegen Delfintherapien etwa für autistische Kinder aus, wie sie der Tiergarten Nürnberg anbietet.

Es war wohl die US-Fernsehserie Flipper, die den Nimbus um die intelligenten, sensiblen, dem Menschen sehr verwandten Säugetiere kreierte. Nur kaum ein Zuschauer wusste, dass insgesamt fünf Tiere Flipper darstellten, die in einem kleinen Tümpel lebten und teils sehr krank wurden. Heute zahlen Besucher in Seaworld-Shows in den USA – und in den vier derzeit existierenden Delfinarien mit knapp 30 Tieren in Deutschland – viel Geld. Doch hinter den Kulissen sei ihr Dasein trist und nicht artgerecht, klagen Tierschützer etwa vom WWF und von Greenpeace: In den nur wenigen Meter langen Becken würden die Tiere krank und depressiv, sie könnten sich nicht wie in Freiheit „ausschwimmen“. Mit Greenpeace arbeitet „Merlin Entertainment“ eng zusammen. „Wir suchen eine neue Heimat für die zwei in Gefangenschaft geborenen Delfine aus dem Heidepark und für die Tiere im Gardaland in Italien“, teilte Sally Ann Wilkinson aus London mit. Eine Auswilderung sei bei den Nachzuchten nicht möglich; bei vormals frei lebenden Tieren schwierig. Soltau selbst wollte keine Auskünfte erteilen – nur, dass bis zu 20 000 Besucher täglich ins Resort strömen.

Die Schließung wird Kritikern der übrigen drei Delfinarien Rückenwind verschaffen. So protestiert das „Wal- und Definschutzforum (WDSF)“ mit extrem überzeugten Tierrechtlern und mit Unterstützung des einstigen TV-Flipper-Trainers und Delfinfängers Richard O’Barry aus Miami schon lange gegen die Shows im Allwetterzoo Münster, im Zoo Duisburg und im Tiergarten Nürnberg. Heftige Kritik gab es auch gegen Pläne, nach denen auf Rügen, in Glowen, ein neuer Hotelkomplex mit riesigem Delfinarium gebaut werden sollte. In Nürnberg wird zu gleichen Zeit, in der die Anlage in Soltau schließt, eine neue errichtet.

Die Lagune für die zwei Männchen und sechs Weibchen sowie das neue Seekuhhaus kostet rund 24 Millionen Euro, sagte Nürnbergs Zoo-Chef Dag Encke. Der eher aus der grünen Ecke stammende Tierexperte kann die Argumente der Delfin-Befreier nicht nachvollziehen. Er verweist auf Studien, nach denen die Tiere in den Betonbecken nur dann Stress empfänden, „wenn es Ärger innerhalb der Gruppe gibt“. „Die Tiere haben bei uns nicht alles, was sie brauchen, aber sie wissen nicht, was ihnen fehlt“, argumentiert Encke. Tierschützer hatten die „Todesserie bei Jungtieren“ kritisiert, zuletzt waren gleich sieben Kälber gestorben. Diese Fortpflanzungsprobleme seien Beweis dafür, dass sich die Tiere nicht wohlfühlten, sagen Kritiker. Während sie sich auf Studien berufen, nach denen teure Delfintherapien wirkungslos seien, verweist Nürnberg auf entgegengesetzte Studien.

Bei der Haltung von Wildtieren in Gefangenschaft solle die Politik nachbessern, viele Tiere lebten in Kachelkäfigen auf zu engem Raum, klagt Rawert. So wären für Berlins Stareisbären Knut plus Partnerin 200 Quadratmeter Gehegefläche ausreichend. Knut bewohnt aber alleine 570 Quadratmeter – was Tierfreunde als zu klein empfinden. Flocke tobt sich auf 1200 Quadratmetern aus.

Annette Kögel

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