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Panorama: Tod in der Messehalle

Hunderte Besucher einer Brieftauben-Ausstellung wurden bei Dacheinsturz in Kattowitz verschüttet

Aus ganz Europa, vor allem aus Belgien und dem nahen Tschechien, waren sie angereist. Zehntausende Brieftaubenfreunde wurden zur internationalen Messe der Züchter in Chorzow vor den Toren der südpolnischen Industrie-Metropole Kattowitz im oberschlesischen Kohlerevier erwartet. Am Samstagabend gegen 17.15 Uhr ereignete sich dann die Katastrophe: Das Dach der Ausstellungshalle brach – vermutlich unter der tonnenschweren Last der Schneedecke – in der Mitte ein. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich zwischen 500 und 1000 Menschen in der Halle auf, die Angaben darüber schwankten stark.

Rettungskräfte aus ganz Schlesien eilten herbei und mühten sich bei eiskalten Temperaturen um die Bergung der Opfer. Nach Angaben eines polnischen Fernsehsenders stürzte gegen 19 Uhr ein weiterer Teil des Daches ein. Wieviele Opfer das Unglück in dem erst vor fünf Jahren eröffneten Hauptpavillon des Messegeländes forderte, war am Samstagabend noch nicht abzusehen. Noch Stunden nach dem Einsturz hieß es, unter dem Hallendach seien noch hundert Menschen verschüttet. Zu diesem Zeitpunkt sprach ein Behördensprecher von „mehreren Dutzend Toten“. Viele Verletzte waren in die umliegenden Krankenhäuser eingeliefert worden. Eingeschlossene Verschüttete, die ihre Angehörigen und die Polizei aus der Halle per Handy angerufen hatten, berichteten über Tote und Verletzte unter den Trümmern der Stahl-Dachkonstruktion.

In der Region um Kattowitz erfreut sich die Taubenzucht großer Popularität. Als „besonders groß“ hatten Augenzeugen den Andrang an diesem Abend bei der dreitägigen Börse in der größten Halle des zwischen Kattowitz und Chorzow gelegenen Messegeländes bezeichnet. Vielen gelang es, sich beim Nachgeben des Daches noch rechtzeitig in den Eingangsbereich zu flüchten. Für die Rettungskräfte war es ein Kampf gegen die Zeit, um bei den eiskalten Temperaturen, zu den Eingeschlossenen zu gelangen.

Viele Verschüttete konnten sich aus eigener Kraft aus den Trümmern befreien. Der Nachrichtensender TVN24 zeigte Bilder von Menschen mit blutenden Kopfverletzungen, die von Sanitätern durch hohen Schnee zu den Rettungsfahrzeugen geführt wurden. Nach dem Bekanntwerden der Katastrophe eilten besorgte Anwohner und Angehörige zu der Unglücksstelle. Premier Kazimierz Marcinkiewicz brach seinen Besuch beim Skisprung-Worldcup in Zakopane ab, um sich am Unglücksort einen persönlichen Eindruck über die Lage zu verschaffen.

Etwa 70 Einsatzteams der Feuerwehr sowie mehr als 230 Polizisten waren nach Behördenangaben am Abend vor Ort. Spezialteams wurden mit Helikoptern eingeflogen. Mit Suchhunden und Sonargeräten fahndeten sie nach Verschütteten. Wie ein „Kartenhaus“ sei die Halle in sich zusammengefallen, berichtete das polnische Fernsehen: Außer dem Dach seien auch der Großteil der Metallwände des mehrere tausend Quadratmeter großen Pavillons eingestürzt. Sanitäter äußerten die Hoffnung, dass Verschüttete in den Hohlräumen unter den umgeknickten Stahlträgern auch länger ausharren könnten. Mit Metallfräsern und Schweißgeräten mühten sich die Feuerwehrleute, unter Wellblechen und Stahlträgern eingeklemmte Opfer zu befreien.

Schon seit Tagen hatten Polens Medien mehrmals vor der Überlastung von Dächern durch tonnenschwere Schneeschichten gewarnt – besonders großflächige Flachdächer seien gefährdet. Die Messeleitung beteuerte am Samstag abend, dass der Schnee auf dem Dach der Unglückshalle regelmäßig geräumt worden sei. Sanitäter vermuteten hingegen, dass auf dem Dach dennoch zuviel Schnee liegen geblieben sei. Die Polizei kündigte noch am Samstag die Einsetzung einer Expertenkommission an. Konstruktionsfehler wurden nicht ausgeschlossen.

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