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Weihnachtsschmuck in Istanbul.

© dpa

Türkei: Auch die Türken lieben Weihnachten

In der Türkei wird Weihnachten immer beliebter. Nur wird nicht die Geburt Christi gefeiert, sondern das neue Jahr. Aus islamistischen Kreisen kommt dennoch Kritik.

Neulich in einem Einkaufszentrum in der türkischen Metropole Istanbul. Ein Familienvater, begleitet von seiner Frau und seinen zwei Kindern, schiebt auf dem Weg zum Parkhaus einen Einkaufswagen vor sich her, dessen Inhalt in einem muslimisches Land aufmerken lässt: Plastik-Weihnachtsbaum, Weihnachtskugeln und anderer bunter Weihnachtsschmuck.

Die Türken haben das Weihnachtsfest für sich entdeckt - nur hat das Fest bei ihnen seinen christlichen Namen und religiösen Charakter abgelegt. Statt „Noel“, dem türkischen Wort für Weihnachten, ist überall von „Yilbasi“ die Rede: Zwischen Bosporus und Ararat wird nicht die Geburt Christi gefeiert, sondern das neue Jahr. Folgerichtig heißt der Weihnachtsbaum auch „Neujahrsbaum“, die Weihnachtsgeschenke werden als „Neujahrsgeschenke“ verteilt. Entsprechende Traditionen gibt es in der Türkei zwar nicht, die Gelegenheit zum Feiern wird aber gern angenommen.

Da die westlichen Weihnachtsfeiertage um den 25. Dezember in der muslimischen Türkei normale Arbeitstage sind, der Neujahrstag aber ein staatlicher Feiertag, entsteht eine Art verlängertes Sylvesterfest mit Weihnachtsmotiven und Nikolaus-Kostümen. Die kleine Minderheit der türkischen Christen spielt dabei keine Rolle. Sie feiert Weihnachten unter sich und oft auch nicht Ende Dezember; für die griechisch-orthodoxen Christen etwa ist der wichtigste Tag das Fest der Heiligen Drei Könige am 6. Januar.

Solche Details interessieren in der Türkei mit ihren rund 77 Millionen Muslimen aber nur am Rande. Einzelhändler bieten seit Wochen alles an, was der Verbraucher für das Fest benötigt, und zwar quer durch die europäischen und angelsächsischen Traditionen. Weihnachtsmänner, Rentiere, Kerzen und Girlanden gehören in großen Supermärkten ebenso in die Weihnachtsauslagen wie Marzipan, Lebkuchen und der italienische Weihnachtskuchen Panettone. Auch Tischfeuerwerke und bunte Party-Hüte, die besonders bei den Briten zu Weihnachten üblich sind, kann man kaufen. Patriotische Türken können ihren Weihnachtsbaum mit Schmuck im Halbmond-und-Stern-Motiv der Landesfahne verzieren.

Nicht nur die Süßwaren- und Geschenkindustrie hat sich auf Weihnachten eingeschossen. Viele türkische Innenstädte sind in diesen Tagen weihnachtlich erleuchtet; in einigen Fällen bleiben die Weihnachtslichter über den Einkaufsstraßen das ganze Jahr hängen.

Sogar das türkische Parlament in Ankara, in dem die islamisch-konservative Partei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan die absolute Mehrheit hat, bietet eine eigene Serie von „Neujahrsgeschenken“ an. Der Kunde kann zwischen Armbanduhren mit dem Bild von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk, Schlüsselanhängern mit dem Logo des Parlaments, Ziertellern und anderem Schnickschnack wählen. Die Nachfrage sei groß, meldete die Zeitung „Milliyet“.

Unumstritten ist die Weihnachts-Mode nicht. Aus islamistischen Kreisen kommt Kritik daran, dass ein muslimisches Land ein christliches Fest übernimmt und so vor dem westlichen Kulturimperialismus kapituliert. „Haben Sie schon einmal einen Christen gesehen, der das [islamische] Opferfest begeht?“ plakatierten Weihnachtsgegner jetzt in Istanbul. „Wir sehen Muslime, die das christliche Fest feiern.“

Weder die Geburt Christi noch der Beginn eines neuen Kalenderjahres seien Festanlässe für den Islam, lautet die Position des staatlichen Religionsamtes in Ankara zum Thema Weihnachten und Neujahr. Im Westen gebe es an diesen Tagen Alkohol, Musik und Tanz, erklärte die Behörde warnend – und riet den Gläubigen deshalb vom Feiern ab.

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