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Die Läufer beim Berliner Halbmarathon sind erwachsen. Sie können ihren Ehrgeiz selbst steuern - anders als Kinder.

© Jörg Carstensen/dpa

Übereifrige Eltern beim Linz-Marathon: Kinder sind keine Trophäen

Eltern zerren ihre kleinen Kinder über die Ziellinie, um einen Marathon zu gewinnen. Sie haben nicht begriffen, worum es geht. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Christian Vooren

"Da stellen sich mir die Nackenhaare auf", lautet einer der vielen entsetzten Kommentare in den Sozialen Netzwerken. Das Bild macht in der Tat fassungslos: Am Rande des Linz-Marathons am letzten Sonntag gab es auch eine Veranstaltung für Eltern und Kinder. Statt der üblichen gut 40 Kilometer sollten die Kleinen rund 40 Meter zurücklegen. Und - wie man bei Drei- bis Vierjährigen meinen sollte - der Spaß war der vordergründige Zweck der Veranstaltung. Was der österreichische Fotograf Manfred Binder mit seiner Kamera dann an der Ziellinie festhielt, sah gar nicht nach Spaß aus. Übereifrige Eltern zerren und schleifen ihre Sprösslinge ins Ziel. "Die Kinder haben geweint", sagte der Fotograf der Nachrichtenagentur dpa. Das scheint die Erwachsenen nicht zu interessieren. "Die Platzierung soll dabei eigentlich nicht im Vordergrund stehen", teilte der Veranstalter via Facebook mit. Doch leider habe der "falsche Ehrgeiz" der Erwachsenen von Jahr zu Jahr zugenommen, sagte Organisator Ewald Tröbinger.

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Mit Kindeswohl hat das nichts zu tun. Auch wenn manche Eltern das gedacht haben mögen. Sich anstrengen müssen im Leben, Ehrgeiz entwickeln - vielleicht wollten sie ihren Kindern solche Lektionen erteilen? Schwierig auf 40 Metern. Zumal an der Hand über den Asphalt gezerrt zu werden, wohl der schlechteste Weg ist.

Dabei ist ein solcher Lauf ja durchaus wertvoll. Die Kinder können neue Freunde finden, und keine Konkurrenten. Und so ein Lauf weckt womöglich die Lust an der Bewegung, so hatte der Veranstalter auch sein Ziel erklärt.

Das alles haben einige der Eltern offenbar nicht verstanden. Schlimmer noch: Sie haben nicht begriffen, dass es bei der Veranstaltung nicht um sie, sondern um die Kinder geht. Egoismus in Reinform. Der Nachwuchs ist keine Trophäe, und auch nicht dafür verantwortlich, selbige einzuholen. Erziehung ist kein Wettbewerb, Vorschulkinder sind keine Leistungsmaschinen.

Die wichtigste Lektion blieb den Kindern verwehrt

Der Irrglaube, Kinder müssten derart früh lernen, dass sie sich anstrengen müssen im Leben, passt zu den Berichten über "Helikopter-Eltern". Die behandeln ihre Kinder wie ein rohes Ei, schützen es vor jedem kleinen Kratzer, alarmieren beim ersten Schnupfen den Notarzt und würden ihr Kind am liebsten in Knisterfolie wickeln und seine Hand niemals loslassen, damit es nicht fällt. Wohin das allerdings führen kann, wenn Eltern ihre Kinder zu fest halten, hat man ja in Linz gesehen. Vater, Mutter und Sohn oder Tochter verschmelzen dabei zu einer untrennbaren, ständig im Notstand lebenden Einheit und verlieren - jeder für sich - die Selbstständigkeit..

Würden die Eltern ihre Kinder schlicht allein laufen lassen, sie würden vielleicht keine Medaille gewinnen, vielleicht würden sie Letzter, oder sie stürzen auf der Strecke und holen sich eine Schramme. Das gäbe ihnen Gelegenheit, eine andere, viel wichtigere Lektion zu lernen: Jeder fällt einmal, es kommt darauf an, wieder aufzustehen.

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