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Panorama: Um den Stamm zu retten

In Schweden darf ein Ehepaar einen Embryo auswählen, damit dessen Bruder weiterleben kann

Eines Tages werden die Eltern ihrem Kind die Geschichte seiner Zeugung erzählen. Dass es auserwählt war. Auserwählt, um seinem Bruder Felix das Leben zu retten.

In Schweden hat die Gesundheitsbehörde einem Antrag des Ehepaars Helena und Fredrik Richardson stattgegeben, der in Deutschland verboten wäre: Die Eltern haben zwei Söhne – Matthias und Felix – die beide an einer erblichen Stoffwechselkrankheit leiden. Matthias ist elf. Vor zwei Jahren brach die Krankheit bei ihm aus. Sie hat den Jungen blind, taub und stumm gemacht, außerdem ist er gelähmt.

Das gleiche Schicksal könnte bald auch seinen vierjährigen Bruder Felix treffen, wenn er nicht mit Stammzellen behandelt wird. Das Problem: Für die Stammzellen gibt es keinen Spender. Die Gewebeoberfläche der rettenden Spenderzellen muss nämlich identisch mit Felix’ eigenem Gewebe sein – ansonsten wird es abgestoßen. Eine Lösung wäre ein gesundes Brüderchen oder Schwesterchen mit gleichen Gewebemerkmalen und gesunden Stammzellen.

Also wollen Felix’ Eltern nach einer künstlichen Befruchtung aus mehreren Embryonen den geeigneten aussuchen: ein zu Felix passender Embryo, der später zu seinem Stammzellspender werden soll. Die Richardsons (wie auch zwei weitere Ehepaare) bekamen nun offiziell grünes Licht für das Vorhaben – „eine enorme Erleichterung und Segnung für uns“, sagte die Mutter Helena der schwedischen Zeitung „Dagens Nyheter“. Doch es gibt auch Kritik. Unter Ethikern wird das Vorhaben gemischt diskutiert. Einige begrüßen die Entscheidung. Andere lehnen sie ab: So stellte die Chefärztin Britt-Marie Frost vom Unikrankenhaus in Uppsala die Frage, ob wirklich alle Spendenregister ausgeschöpft worden seien. Sie und andere befürchten nicht zuletzt, ein Kind könnte psychische Probleme bekommen, wenn es erfährt, dass es nur deshalb geboren wurde, um einem anderen das Leben zu retten.

Die Eltern bestreiten das. „Wir wollten ohnehin ein drittes Kind“, sagte der Vater Fredrik der Zeitung „Svenska Dagbladet“. „Es wird genauso geliebt wie Matthias und Felix.“

In Deutschland verbietet das Embryonenschutzgesetz ein solches Vorhaben. Das Gesetz untersagt eine künstliche Befruchtung zu einem anderen Zweck als einer Schwangerschaft – und das trifft auf all jene Embryonen zu, die verworfen werden. Das Gesetz soll Eltern unter anderem daran hindern, ihre Kinder aufgrund gewisser genetischer Eigenschaften zu „selektieren“.

Auch das Embryonenschutzgesetz ist jedoch unter Medizinern und Ethikern umstritten. So darf ein einmal eingepflanzter Embryo sehr wohl genetisch geprüft und unter Umständen abgetrieben werden – zu einem Zeitpunkt, wenn das heranwachsende Leben bereits viel weiter fortgeschritten ist. Ohne das Embryonenschutzgesetz, so sagen die Kritiker, ließe sich dies verhindern.

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