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Panorama: "Um die Seele Bayerns kämpfen"

BERLIN .Die Vier waren nach Berlin gekommen, "um Flagge zu zeigen".

BERLIN .Die Vier waren nach Berlin gekommen, "um Flagge zu zeigen".An der Seite ihres Anwalts wollten sie um die "Tradition, Kultur und Seele unseres Landes" kämpfen, für die "Identität und das Lebensgefühl der Bayern" einstehen - und trafen auf einen preußischen Richter, der ihren Biergarten als einen "traditionellen Typ der Außengastronomie" bezeichnete.Auch der Logik der Biergartenverordnung vermochte der Mann offenbar nicht immer zu folgen."Also ein Biergarten macht qua Definition keinen Lärm? Und, wenn er Lärm macht, ist er automatisch kein Biergarten mehr?" fragte der Vorsitzende Richter im Bundesverwaltungsgericht.

An der Hardenbergstraße sollte am Donnerstag entschieden werden, ob das gesellige Zusammensein im Biergarten künftig vorzeitig ein Ende haben muß, wenn Anwohner sich durch den Lärm belästigt fühlen.Der Freistaat hatte Bierfreunden nach heftigen Protesten 1995 eine Sonderrolle zugebilligt.Danach darf in den Biergärten nur bis 22 Uhr 30 ausgeschenkt werden.Um 23 Uhr soll dann auch der letzte Besucher die Freiluft-Kneipe verlassen haben.Bis Redaktionsschluß hatte der Senat des Bundesverwaltungsgerichts sein Urteil noch nicht gefällt.

Zwei Stunden lang lieferte die Delegation aus Bayern - der Umweltminister, der Oberlandesanwalt, eine Ministerialrätin, ein Regierungsdirektor, ein leitender Regierungsdirektor - den Richtern und dem erheiterten Publikum einen Nachhilfekurs in Sachen Biergarten.Bis ins Jahr 1539 reichten die Ausführungen des Ministers Werner Schnappauf zurück.Die Zweifel des Gerichts konnte der Vortrag nicht ausräumen."So helfen Sie uns doch aus der Bredouille, damit wir der bayerischen Kultur dienen können!" rief der Vorsitzende.

Mit der Verordnung hatten die Richter vor allem zwei Probleme.Denn derzeit haben Anwohner keinerlei Möglichkeit, sich gegen den Lärm eines Biergartens zu wehren.Außerdem ist nicht geregelt, was eigentlich einen Biergarten von einem Wirtsgarten oder Gartenlokal unterscheidet."Also, das weiß in Bayern wirklich jedes Kind", polterte der Landesanwalt.Der Anwalt der sechs Kläger, Michael Hauth, trat nicht als Biergartenfeind auf; er sei ein grundsätzlicher Gegner von Sondergesetzen.Nicht die Biergartenkultur, sondern die individuelle Freiheit sieht er in Gefahr, wenn Politiker mit populistischem Drang die Rechtsprechung unterlaufen, indem sie Sondergesetze erlassen.

Eskaliert war der Streit um die Biergärten erstmals, nachdem der Verwaltungsgerichtshof in München der Klage von Anwohnern der "Waldwirtschaft" stattgegeben hatte, wonach der Garten um 21 Uhr 30 zu schließen hatte.Ein parteiübergreifender Aufschrei des Entsetzens folgte, 20 000 Menschen gingen bei der "Ersten bayerischen Biergarten-Revolution" auf die Straße.

Nach der Verhandlung gaben sich beide Parteien zuversichtlich, zumindest einen Teilsieg davontragen zu können."Wenn wir diese Verordnung nicht halten können, werden wir eine ähnliche erlassen dürfen", mutmaßte der Oberlandesanwalt.In keinem Fall werde es die Regierung dulden, daß die "bayerische Identität auf dem Altar des Zentralismus geopfert" werde.

KATJA FÜCHSEL

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