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Umstrittene Glaubensgemeinschaft: Scientology in Frankreich vor Gericht

Der umstrittenen Organisation wird Betrug vorgeworfen – im Fall einer Verurteilung droht ihr die Auflösung.

Diesmal geht es ums Ganze. Schon mehrmals wurden Mitglieder der Scientology-Bewegung von französischen Gerichten wegen Betrugs und anderer Delikte verurteilt. Doch der Bestand der Organisation, die in Frankreich als Sekte gilt, stand dabei nie zur Debatte. Jetzt könnte es anders kommen. In einem Prozess, der am Montag vor der 12. Kammer des Pariser Strafgerichts begann, muss sich die Organisation erstmals selbst als juristische Person wegen organisierten Betrugs verantworten. Im Falle einer Verurteilung könnte das Gericht die Auflösung der Organisation anordnen.

Angeklagt sind neben Scientology, vertreten durch den Pariser Regionalverband Association spirituelle de l’Eglise des Scientology-Celebrity Center (Ases-CC) und die Buchhandlung Scientologie Espace Liberté (SEL), vier Männer und drei Frauen. Ihnen wirft die Anklage ebenfalls Betrug vor, den sie als „organisierte Bande“ begangen haben sollen. Der Prozess geht auf die Klage von vier Personen zurück, die sich, wie aus dem Bericht des Untersuchungsrichters hervorgeht, von den Angeklagten um ihr Geld betrogen sehen. Zwei von ihnen werden in dem Verfahren, das bis Mitte Juni dauern soll, als Nebenkläger auftreten. Ein weiterer Vorwurf betrifft die illegale Ausübung des Apothekerberufs, bei dem es um die Verabreichung von Vitaminen und Pillen mit angeblich psychisch aufbauender Wirkung geht. Nebenkläger ist in diesem Punkt die Standesorganisation der französischen Apotheker. Die Untersuchung zog sich über mehr als zehn Jahre hin.

Eine der Klägerinnen, die heute 33-jährige Aude-Claire M., war 1998 von einem der Angeklagten auf der Straße angesprochen worden, um einen Fragebogen auszufüllen. Dieser schickte das Papier an ein sogenanntes Dianetik-Zentrum der Organisation, welches den Test negativ beurteilte und die Frau fortan mit immer dringenderen Aufforderungen zu einer psychischen Reinigung konfrontierte. Es folgten die auch aus früheren Prozessen bekannten Methoden: Der Verkauf der Bücher des Scientology-Gründers Ron Hubbard und eines völlig wertlosen, aber teuren „Elektrometer“ zur Ermittlung des seelischen Wohlbefindens, bis hin zur Verabreichung von Psychopharmaka. Am Ende war die Frau, wie es in dem Bericht des Untersuchungsrichters heißt, psychisch schwer angeschlagen und um 21 000 Euro ärmer. Scientology habe ein „außergewöhnlich aggressives kommerzielles Vorgehen“ gezeigt, um zu ihrem Ziel, der „Unterwerfung“ ihrer Opfer zu gelangen. Dagegen bestritt die Organisation im Verlauf der Untersuchung jeglichen Betrug.

Dieser Meinung war auch die Staatsanwaltschaft, die sich zunächst gegen eine Anklageerhebung gesträubt hatte. Für Olivier Morice, der als Anwalt die Opfer vertritt, ist die Tatsache, dass der Prozess nun doch stattfindet, schon ein Erfolg. Erstmals werde es vor Gericht nicht nur um Vorwürfe gegen einzelne Scientology-Mitglieder gehen, sondern um die Struktur der Organisation selbst. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, wären davon zwar nur der Pariser Regionalverband und der Buchladen betroffen. Da diese jedoch die größten Scientology-Einrichtungen in Frankreich sind, hätte dies Signalwirkung. Der Niedergang der Organisation wäre so gut wie sicher.

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