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Live Earth

© ddp

"Live Earth"-Konzerte: Die Erde tanzt

"Live Earth“, der größte Konzertmarathon der Welt, begeistert die Menschen. Nur in Deutschland hält sich das Publikum zurück.

Dumm ist das Klima nicht. Es hat sogar Geschmack, zumindest wenn es um Musik geht. Anders kann man es sich nicht erklären, dass ausgerechnet in London, wo der Regen bis Sonnabend über Tage das traditionelle Tennis-Turnier in Wimbledon lahm gelegt hat, die Sonne unentwegt schien, als wollte das Klima sagen: Genauso, mit dieser Musik könnt ihr mich retten. Die Crème de la Crème des Rock- und Popgeschäfts trat beim englischen „Live Earth“-Konzert auf. Genesis eröffnete im Wembley-Stadion die Show. Anschließend sangen unter anderem noch Madonna, die Red Hot Chili Peppers, die Beastie Boys, Duran Duran und Metallica gegen den Klimawandel an. Genau darum sollte es ja gehen bei „Live Earth“, dem 24-stündigen Konzertmarathon rund um die Welt, initiiert vom ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore.

In Hamburg sah das alles ganz anders aus. Latino-Queen Shakira, die das „Live Earth“-Konzert in der Hansestadt eröffnete, musste ihr bauchfreies Oberteil im Koffer lassen, weil es in Strömen regnete. Dafür brachte sie mit ihrer pinken Glitzergitarre etwas Farbe in die hanseatische Tristesse. Und natürlich durfte auch ihr Hit „Hips don’t lie“ nicht fehlen. Dem Wetter trotzten auch andere Musiker wie der Rapper Snoop Dogg, Katie Melua oder Mando Diao.

Schon die großen Benefizkonzerte wie „Live Aid“ zugunsten Afrikas waren globale Ereignisse, aber „Live Earth“ wollte noch einmal alles in den Schatten stellen. 150 Künstler zogen bei neun Konzerten zwei Milliarden Menschen in ihren Bann. Los ging es in Sydney, gefolgt von Tokio. Weitere Veranstaltungsorte waren Schanghai, London, Johannesburg, New York, Washington und Rio de Janeiro. Eine Mini-Veranstaltung gab es zudem in der Antarktis: Eine kleine Amateurband spielte in einer Forschungsstation. Damit gelang es, Konzerte auf allen Kontinenten zu veranstalten. Das gesamte Programm war live im Fernsehen, Internet und Radio zu verfolgen. Via SMS konnte sich auch jeder Zuschauer mit seinem Namen auf den Fernsehbildschirm oder auf die Bühnenleinwand beamen.

Genau wie in den Stadien wurden auch im Fernsehen immer mal wieder kleine Filme eingespielt, in denen beispielsweise die „Top Five“ unter den Klimasünden aufgelistet wurden. Das Skifahren in Dubai zählt dazu, aber auch die Praxis, Nordseekrabben erst nach Marokko zum Pulen zu schicken, bevor sie in Deutschland verkauft werden. Auch Al Gore tauchte bei jedem Konzert via Videobotschaft oder in New York sogar live vor Ort auf. Seine Botschaft lautete: „Jetzt ist die Zeit, mit der Heilung der Erde zu beginnen“. Natürlich gehört es auch zur unbequemen Wahrheit, dass „Live Earth“ die Erderwärmung nicht gedrosselt oder das Ozonloch nicht verkleinert hat. Kurz: Das Klima wurde nicht gerettet. Im Gegenteil – der Konzertmarathon hat auch viel Energie gekostet. Aber er hat sein Ziel trotzdem erreicht: Aufmerksamkeit zu erregen.

„Live Earth“ hat aber ganz nebenbei auch etwas über die Popkultur in den einzelnen Ländern ausgesagt. Denn überall sollten auch nationale Künstler auftreten. Und die haben eben unterschiedliche Ausstrahlungskraft. Während in London Bands wie Bloc Party, Keane oder Snow Patrol und in New York beispielsweise die Smashing Pumpkins – alle samt international erfolgreich – als nationale Künstler fungierten, musste man sich in Hamburg mit Silbermond, Juli oder Lotto King Karl als Aushängeschilder deutscher Musik begnügen. Vermutlich ist also nicht nur der Regen schuld daran gewesen, dass das Interesse in der Hansestadt gering ausfiel. Denn das Stadion war nur gut zur Hälfte ausverkauft. Daran änderte auch das kurzfristige anberaumte Engagement von Yusuf alias Cat Stevens als Zugpferd nichts mehr. Er bildete den Abschluss des Hamburger Konzerts.

Dafür lieferte in Hamburg die Sängerin Mieze der Berliner Band MIA vielleicht den besten Beitrag zum Klimaschutz. Sie trat mit weißen Engelsflügeln auf, die sie am Ende ins Publikum warf. Mit der Aufforderung, das der Fänger zu einem Ökostromanbieter wechseln soll. Das brachte für einen kurzen Moment sogar die Sonne ins Stadion.

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