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Panorama: Uni für die Superstars

70 ausgewählte Bewerber waren beim ersten Casting der staatlichen Pop-Akademie in Mannheim

Schon vor der ersten Prüfung hat Philipp den ersten Dämpfer erhalten. Irgendein HipHopper hatte ihn einen Schleimer genannt. Nur weil Philipp wohlwollend auf den Tisch geklopft hatte, als der Schulleiter die Nachwuchsmusiker begrüßte. Die Stimmung unter den Bewerbern der Pop-Akademie Mannheim ist angespannt. Jeder von ihnen möchte zum ersten Jahrgang gehören, der den Weg durch den Hörsaal in die Hitparade einschlagen soll – als staatlich geprüfter Popstar. Sänger, Instrumentalisten und Produzenten lernen ab Oktober im Studiengang Popmusikdesign ihr Handwerk. Das Ziel nach drei Jahren ist ein Bachelor-Abschluss; der Traum die Top Ten der Charts.

Als Philipp nach dem theoretischen Test aus dem Prüfungsraum tritt, hat er miese Laune. „Das hätte vielleicht ein kastrierter Geiger geschafft“, zischt er. Septimen erkennen oder diesen dämlichen Dreiklang, das brauche später niemand im Tonstudio, das kann die Technik. Nun muss beim Vorsingen alles klappen, er ist erst in fünfeinhalb Stunden dran. Das Warten macht ihn ungeduldig.

Der Ärger steht Philipp gut. So wie er zu dem Bewerbungstag erschienen ist, könnte man meinen, die Rockband Nirvana hätte die Stelle ihres toten Sängers Kurt Cobain ausgeschrieben. Ein schlabbriges schwarzes T-Shirt hängt von seinen schmalen Schultern, die Haare hat er sich nicht extra gewaschen und die Augenringe verraten, dass er nachts andere Dinge schätzt als eine gesunde Portion Schlaf. Für den Erfolg, so sagt er, würde er sich auch zur „Szenehure machen lassen, die wie eine Marionette funktioniert“.

Eine solche Einstellung ist an der Pop-Akademie nicht gefragt. Aber viele Wege führen zum Ziel. Tausende bewerben sich derzeit um die Teilnahme an den Castings der verschiedenen Sender, nicht jeder ist ein ausgebildetes Talent. Manche wollen erst an einem solchen Casting teilnehmen, wenn sie vorher die Popakademie bestanden haben, andere haben es erst beim Fernsehen versucht und besinnen sich jetzt erst einmal auf eine solide Ausbildung.

Denise wartet brav in der Schlange vor der Tür des Prüfungsraumes. Dabei wäre eine Aufnahme in die Pop-Akademie für sie nur noch die Kür. Sie hat bereits einen Vertrag mit einem großen Hamburger Plattenlabel. Da wolle man sie als Rockstar aufbauen. Und, erzählt sie stolz, sie hat bereits einen Song für Kartoffelchips-Werbung aufgenommen. „Einmal gepoppt, nie mehr gestoppt" heißt der Slogan, mit dem die Firma wirbt. Es könnte auch das Motto der 70 eingeladenen Nachwuchsmusiker sein, die sich in einer Vorauswahl gegen mehr als 600 Bewerber durchgesetzt haben. Unter ihnen ist auch Laura Bellon, die sich drei Jungs geholt hat, die sie bei ihrem Auftritt musikalisch begleiten. „Teamwork ist meine Stärke“, sagt sie. Genau das ist hier gefragt.

Ihre Demo-Tapes haben die Jury der PopAkademie überzeugt. Sie wurde eingeladen. Einige Bewerber hatten sich vorher schon in halb Europa beworben, bei Paul McCartneys Eliteakademie in Liverpool etwa oder der Pophochschule im niederländischen Arnheim. Manche versuchten es schon bei der RTL-Reihe „Deutschland sucht den Superstar“.

Akademieleiter Udo Dahmen, ein studierter Schlagzeuger, ist Deutschlands Pionier der akademischen Popstar-Ausbildung. Er ist Urheber des Mannheimer Konzepts, davor hat er acht Jahre in Hamburg den Studiengang Populärmusik geleitet. Die „Superstar“-Castings seien vor allem eine hervorragende Marketingmaschine, „unsere Studenten dagegen werden selbst performen, produzieren und verwerten“, sagt Dahmen.

Endlich darf Philipp vorsingen. Die zehn Jurymitglieder drehen sich um. Alles Produzenten, Musiker und Songschreiber, seit dem Morgen schon brüten sie an einem langen Tisch und verteilen Noten für Auftreten, Gesang und Eigenkompositionen der Prüflinge. Philipp knetet den Mikrofonständer und hebt langsam seinen Blick vom Boden. Er atmet durch. „Mal was anderes für Sie heute“, ruft er der Jury durch das Mikrofon entgegen. Energisch stampft Philipp den Rhythmus, der aus den Boxen quillt, rudert wie Joe Cocker mit den Armen und schmettert mit leidenschaftlich-gequälter Miene seine drei Lieder. Die Jury klatscht freundlich. Das Ergebnis erfährt er erst in einigen Wochen.

Daniel Pontzen[Mannheim]

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