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Panorama: Unter Waggons begraben

Der verunglückte Schnellzug in der Türkei war gerade erst in Betrieb genommen worden – Experten hatten Sicherheitsbedenken

Das schwerste Zugunglück in der türkischen Geschichte hat am Donnerstagabend fast 140 Menschen das Leben gekostet. Der Schnellzug von Istanbul nach Ankara sprang mit 243 Menschen an Bord knapp zwei Stunden nach der Abfahrt aus den Gleisen. Mindestens vier Wagen stürzten vom Bahndamm und begruben die Insassen unter sich. Dabei wurden nach ersten offiziellen Angaben 139 Menschen getötet.

Der Schnellzug mit einem Spitzentempo von 160 Stundenkilometern war erst im vergangenen Monat in Betrieb genommen worden und hatte die Reisezeit zwischen Istanbul und Ankara von sieben bis acht Stunden auf fünf Stunden verkürzt. Verkehrsexperten hatten jedoch gewarnt, dass die Gleisstrecke den hohen Geschwindigkeiten nicht gewachsen sei. Der Krisenstab in Ankara erklärte, der Zug sei zum Unglückszeitpunkt mit gedrosseltem Tempo gefahren; die Unfallursache sei unbekannt. In den türkischen Medien wurde auch über einen möglichen Terroranschlag spekuliert.

Der Expresszug „Yakup Kadri Karaosmanoglu“ war um 18 Uhr aus dem Haydar-Pascha-Bahnhof im asiatischen Teil von Istanbul ausgefahren und hatte schon knapp ein Drittel seiner Fahrt in die Hauptstadt zurückgelegt, als die Spitze des aus fünf Waggons bestehenden Zuges um 19 Uhr 45 bei Pamukova in der Provinz Sakarya entgleiste. Die ersten beiden Waggons überschlugen sich, die nächsten beiden Wagen wurden mitgeschleift. Erste Rettungsmannschaften und Helfer waren rasch zur Stelle, konnten die eingeklemmten Opfer aber teilweise nicht erreichen. Im Laufe des Abends wurden auch Kräne bei den Rettungsarbeiten eingesetzt. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sprach von einem „sehr großen Unglück“. Er sagte eine Auslandsreise ab und flog mit einem Hubschrauber zum Unglücksort.

Der Schnellzug auf der knapp 600 Kilometer langen Hauptschlagader des türkischen Bahnverkehrs war erst am 4. Juni in Betrieb genommen worden. Fachleute hatten von Anfang an kritisiert, dass die Strecke für den Schnellzug nur unzureichend ausgebaut sei. Die Schienen seien nicht für die Geschwindigkeiten des Schnellzugs ausgelegt und würden durch die Erschütterungen beschädigt, warnte ein namhafter Experte erst kürzlich; früher oder später werde es einen Unfall geben. Auch andere Fachleute forderten eine Einstellung des Schnellzugverkehrs und eine Sicherheitsprüfung der Strecke.

Hohe Geschwindigkeit sei wahrscheinlich nicht die Unfallursache gewesen, betonte dagegen ein Sprecher des Krisenstabes in Ankara noch am Unglücksabend. Der Expresszug sei an der Unglücksstelle etwa 70 bis 80 Stundenkilometer gefahren.

Der Krisenstab der türkischen Behörden hat ein Nottelefon eingerichtet. Unter den folgenden Nummern können Angehörige Informationen zu Opfern erhalten:

0090-312-311 30 88 und 0090-312-324 43 64

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