zum Hauptinhalt

Urteil im Stephanie-Prozess: "Wir werden lernen, damit zu leben"

15 Jahre muss Stephanies Peiniger Mario M. ins Gefängnis. Anschließend kommt er in Sicherungsverwahrung. Stephanies Familie ist erleichtert über das Urteil der Richter und macht sich auf den langen Weg zur Normalität.

Dresden - Ines R. steht im Gerichtssaal 0.84 des Dresdner Landgerichts und strahlt über das ganze Gesicht. Es ist, als fiele der zierlichen Frau eine tonnenschwere Last von der Seele. "Wir sind glücklich und froh", sagt sie. Ein paar Minuten zuvor hat der Vorsitzende Richter Tom Maciejewski das Urteil gegen den Angeklagten Mario M. verkündet. Jenen Mann, der ihre heute 14-jährige Tochter Stephanie fünf Wochen lang in seiner Gewalt hatte, sie auf grausame Weise missbrauchte und vergewaltigte. Das Gericht hat die Höchststrafe gegen den 36-Jährigen verhängt: 15 Jahre Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Die Familie von Stephanie will nun nach vorne blicken und hofft, dass das Mädchen irgendwann wieder ein Leben ohne Angst führen kann.

"Die Ängste kann sich kein Mensch vorstellen"

Der Vorsitzende Richter macht in seiner Urteilsbegründung noch einmal deutlich, was die damals 13-Jährige nach ihrer Entführung am 11. Januar durchleiden musste. Stephanie musste die "aggressivsten und zum Teil erniedrigendsten sexuellen Handlungen" über sich ergehen lassen, manchmal drei bis viermal täglich. Wenn Mario M. die Wohnung verließ, pferchte er sie in eine enge Holzkiste und drehte die Musikanlage auf, damit niemand die Schreie hören konnte. "Die Ängste des Kindes in dieser Kiste kann sich kein Mensch vorstellen, der das nicht selbst erlebt hat", sagt Maciejewski. Stephanie wird ihr ganzes Leben daran tragen. "Das Grundvertrauen des Kindes ist zerstört", sagt der Richter zum Angeklagten gewandt. Er habe dem Mädchen die Chance genommen, wie ein normaler Teenager heranzuwachsen.

Zur Urteilsverkündung ist Stephanie in der Schule

Trotz seines umfangreichen Geständnisses, der vom Gutachter attestierten Persönlichkeitsstörung und der "Vorverurteilung" durch die Medienberichterstattung, die Maciejewski unmissverständlich kritisierte, kam für das Gericht keine Milderung der Strafe in Betracht. Zu schwer wiegt die Vielzahl der Einzeltaten, zu schwer wiegt auch die "besonders verwerfliche Tatausführung". Während der Richter das Urteil verliest, sitzt Stephanie in der Schule. Ihr Bruder überbringt ihr den Urteilsspruch. Etwas anderes als die Höchststrafe hätte sie nicht verkraften können, meint ihre Mutter.

Mario M. nimmt das Urteil ohne Regung auf, den kurzgeschorenen Kopf auf eine Hand gestützt. Der Prozess zeichnete das Bild eines hochintelligenten Mannes, der Frauen Liebesbriefe schrieb, aber auf der anderen Seite aggressiv und gewalttätig war. Stephanie entführte er, um sich eine Partnerin nach seinen Vorstellungen zu formen.

Wie unberechenbar Mario M. ist, wurde einmal mehr am 8. November deutlich, als er in einer spektakulären Aktion auf das Dach des Dresdner Gefängnisses kletterte und begleitet vom Medienrummel dort 20 Stunden lang ausharrte. Damit erreichte der Fall endgültig auch eine politische Dimension. Sachsens Justizminister Geert Mackenroth (CDU) geriet schwer unter Druck. Überschattet wurde der Prozess auch von Zwistigkeiten zwischen Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Die Staatsanwaltschaft kritisierte die Medienauftritte des Mädchens im Vorfeld des Verfahrens als Verstoß gegen den Opferschutz.

Dresdner Jugendamt besorgt

Der Fall Stephanie ist noch längst nicht abgeschlossen: Die Familie verlangt vom Freistaat Sachsen die Übernahme der Therapiekosten und begründet dies unter anderem mit Polizeipannen während der Fahndung nach dem Täter, was das Leiden des Mädchens noch verlängert habe. Die Eltern hoffen nun darauf, dass es bis Weihnachten zu einer einvernehmlichen Lösung kommt.

Der Dresdner Jugendamtsleiter Claus Lippmann sorgt sich indes um die Betreuung von Stephanie und wandte sich in dieser Sache laut Presseberichten nun auch an den Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen (BdP). Hintergrund sind Äußerungen von Stephanies Psychologin Angelika Schrodt, wonach das Mädchen kein Therapie-Fall sei, sie von ihr telefonisch betreut werde und hauptsächlich im Kontakt mit Juristen stehe.

Nach dem Urteil gegen Mario M. schauen Stephanie und ihre Familie nun aber nach vorn. "Wir werden lernen, damit zu leben", sagt Ines R.. Stephanies Vater Joachim R. kann die Tränen nur mühsam unterdrücken. Für das Mädchen und seine Familie ist es noch ein langer Weg zur Normalität. (Von Andrea Hentschel, AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false