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Siegburg

© dpa

Urteil: Lange Haftstrafen für Foltermord in JVA Siegburg

Stundenlang hatten drei Männer im November 2006 einen Mithäftling gequält, vergewaltigt und schließlich getötet. Jetzt wurden die Täter für ihre Grausamkeit zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Wegen des Foltermords an einem Gefangenen in Siegburg hat das Landgericht Bonn drei Mithäftlinge zu langjähriger Haft verurteilt, dabei aber nur in einem Fall die gesetzliche Höchststrafe verhängt. Knapp ein Jahr nach dem brutalen Mord erhielt der 18-jährige Danny K. die höchstmögliche Jugendstrafe von zehn Jahren. Die 20 und 21 Jahre alten Pascal I. und Ralf A. wurden zu 15 und 14 Jahren Haft verurteilt. Zwar bescheinigte die Strafkammer allen Verurteilten eine "gefühllos-mitleidlose Gesinnung". Bei den Heranwachsenden I. und A. wollten die Richter jedoch nicht ausschließen, dass sie wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden können.

Das Verbrechen an dem Häftling Hermann H. am 11. November 2006 hatte wegen seiner Brutalität bundesweit Entsetzen ausgelöst. Vor Gericht gestanden die drei Angeklagten, dass sie dem 20-Jährigen in der Gemeinschaftszelle Wasser mit scharfem Pulver und Salz zu trinken gegeben hatten, er musste eine Tube Zahnpasta schlucken und anschließend sein Erbrochenes essen. Zudem wurde er mit einem Handfeger vergewaltigt. Das stundenlange Martyrium endete erst am Abend, als sich das Trio nach eigenen Angaben entschloss, den Mithäftling "wegzuhängen". Vor seinem Tod musste H. sechs Mal versuchen, sich an der Zellentür aufzuhängen.

Während das Gericht den Jugendlichen K. als "Initiator und Ideengeber" der Bluttat zur Höchststrafe nach dem Jugendstrafrecht verurteilte, machten die Richter bei I. und A. von der gesetzlichen Möglichkeit einer Strafmilderung Gebrauch. Zwar hätten die Peiniger ihr Opfer aus niedrigen Beweggründen, zur Verdeckung einer Straftat und auf grausame Weise ermordet, sagte der Vorsitzende Richter Volker Kunkel. Auch müssten I. und A. nach den Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden, da ihre Persönlichkeitsbildung "weitgehend abgeschlossen" sei. Dennoch sah das Gericht von Lebenslänglich ab, da beide "als in die Gesellschaft wiedereingliederbar anzusehen" seien.

Richter: "Zellensituation" kann Aggressionen fördern

Hintergrund ist eine entsprechende Vorschrift im Jugendgerichtsgesetz, wonach bei Heranwachsenden die ansonsten im Erwachsenenstrafrecht bei Mord zwingend vorgeschriebene lebenslange Haft abgemildert werden kann. In diesem Zusammenhang ging der Vorsitzende Richter auch auf die Debatte über die Zustände in Jugendgefängnissen ein, die der Mord ausgelöst hatte. Das brutale Verbrechen sei "durch die Zellensituation begünstigt" worden, sagte der Richter. Die Unterbringung von vier Häftlingen in einer Zelle könne nach Experten-Einschätzung Aggressionen fördern.

Die vier Häftlinge waren am 6. November, fünf Tage vor der Tat, in der Zelle zusammengelegt worden. Kunkel betonte, in den ersten Tagen habe es zwar "keine Probleme mit dem Zusammenleben" gegeben. Alsbald habe sich allerdings eine "Rollenteilung" unter den Häftlingen entwickelt, bei denen der ruhige und zurückhaltende H. fortan als "Außenseiter" gegolten habe.

Opfer nach "Nahtod-Erfahrungen" befragt

Nach elf Verhandlungstagen und der Vernehmung von knapp 40 Zeugen hielt es das Gericht für erwiesen, dass die Täter ihrem Opfer "besonderes Leiden" zugefügt hätten. So sei der Entschluss der Zellengenossen, H. nach den stundenlangen Misshandlungen zu töten, in Anwesenheit des Opfers erfolgt. Auch hätten sie dem 20-Jährigen vor dem Mord aus der Bibel vorgelesen und ihn nach einem von fünf erfolglosen Strangulierungsversuchen wiederbelebt, um ihn nach seinen "Nahtod-Erfahrungen" zu befragen.

Im Fall des Jugendlichen K. folgte das Gericht der Strafmaßforderung der Staatsanwaltschaft, bei A. blieb die Kammer um ein Jahr unter der von der Anklage geforderten Strafe. Beim zu 15 Jahren verurteilten I. wichen die Richter allerdings deutlich vom Antrag der Staatsanwaltschaft ab - sie hatte für den 20-Jährigen lebenslange Haft und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld beantragt, was eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren ausgeschlossen hätte. Staatsanwalt Robin Faßbender kündigte nach dem Urteilsspruch an, die Anklage werde im Fall I. die Revision prüfen. (mit AFP)

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