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US-Golfküste: Trümmer, Flut und fester Wille

Verzweifelte, die auf Häuserdächern um Hilfe rufen, gab es dieses Mal nicht. Auch keine wimmernden Kinder wie in New Orleans, die nach Hurrikan "Katrina" tagelang ohne Essen im stinkenden Elend der verwüsteten Stadt vor sich hinvegetieren mussten.

Washington (25.09.2005, 16:40 Uhr) - Verglichen mit «Katrina» war Hurrikan «Rita» viel gnädiger. «Katrina» hat neue Maßstäbe für die Zerstörungskraft von Naturgewalten und die verheerenden Folgen gesetzt, gegen die Menschen selbst in einem Land wie den USA nicht gefeit sind.

Nicht, dass «Rita» harmlos war. «Oh, oh!», hört man nur noch auf einem Privatvideo, das ein Mann mitten im Sturmflutdrama in seinem Haus in Vermilion noch aufnahm und im Fernsehen zeigte. Die Wassermassen stürzen zu Tür und Fenster herein. Innerhalb von Minuten schwimmt der Kühlschrank im reißenden Wasser, die Flutwellen klatschen im Wohnzimmer deckenhoch an die Wand. Der Mann rettet sich in den zweiten Stock. Die Stadt zu verlassen kommt für ihn nicht in Frage. Alles Augenmerk gilt jetzt dem Wiederaufbau.

Im Trümmerhaufen ihres Wohnblocks in Lake Charles steht sichtlich schockiert Christina Rubero. «Meine Mutter war dickköpfig, sie wollte nicht gehen. So blieb ich auch», sagt sie Fernsehreportern. Dann kam die Flut - bis in den zweiten Stock. «Der Wind riss das Dach wie den Deckel einer Sardinendose ab», sagt sie. Und bleibt. «Wir bauen das hier wieder auf.»

Ein bisschen weiter die Küste entlang konnte sich ein Pensionär mit Frau, Sohn und Schwiegertochter nur noch in eine Baumkrone retten. Das Haus war überflutet, die Küstenwache rettete die Verängstigten per Helikopter.

Im Bezirk Vermilion in Louisiana wird eine Frau mit drei Kindern vermisst. «Wir haben sie bekniet zu gehen, aber sie wollte nicht», berichtet ein Polizist im Fernsehen. «Samstagnachmittag rief sie noch verzweifelt an, aber das Wasser war so reißend, wir konnten mit dem Boot nicht zu ihr.» Seitdem ist die Leitung in dem Haus tot.

Die Amerikaner sind nach dem zweiten verheerenden Hurrikan innerhalb von weniger als vier Wochen betroffen. Sie spüren die Ohnmacht im Angesicht der entfesselten Naturgewalten. Sie sehen, dass selbst bei Vorwarnung keine Macht der Welt unsägliche Erfahrungen verhindern kann.

Auf dem Flughafen von Houston lagen schwer kranke Patienten nach der Evakuierung ihres Krankenhauses in Küstennähe auf zweistöckige Gepäckwagen gestapelt und warteten auf die Verteilung auf andere Krankenhäuser. Auf der Autobahn ging ein Bus mit Patienten aus einem Altenheim in die Luft, weil die Sauerstofftanks der alten Leute explodierten. Auf den völlig verstopften Straßen aus Houston fielen die Menschen reihenweise in Ohnmacht, weil sie auf der Flucht vor «Rita» in brütender Hitze 24 Stunden im Verkehrsstau steckten. In Beaumont in Texas konnten Nationalgardisten sich am Samstag nicht ans Aufräumen machen, weil sie Plünderer in Schach halten mussten.

Für New Orleans war «Rita» der zweite schwere Schlag. Im ärmlichen 9. Bezirk, der nach den Dammbrüchen durch «Katrina» fast zwei Wochen unter Wasser stand und gerade leergepumpt war, stand die braune Brühe am Samstag wieder hüfthoch. Eine Madonnenstatue ragte an einer Straßenecke halb aus dem Wasser. Die geschwächten Dämme, die die unter dem Meeresspiegel liegende Stadt schützen sollen, hatten dem Wasserdruck nach «Rita»s heftigen Regenfällen nicht standgehalten. «Wir dachten, wir hätten uns berappelt - Mutter Natur hatte andere Ideen im Kopf», meinte ein abgekämpfter Bürgermeister Ray Nagin. Trotzdem ist er entschlossener den je: Die Stadt soll sich so schnell wie möglich wieder mit Leben füllen, wenn nicht in dieser, dann eben in der nächsten Woche.

(Von Christiane Oelrich, dpa)

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